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Allmächtiger im Armenhaus

Von Michael Schmölzer

Politik

Venezuelas Präsident Maduro hat die Opposition ausgeschaltet. Das Land versinkt im Elend.


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Caracas. Wütend trommeln die Abgeordneten mit ihren Fäusten auf die Plastikschilde der Polizisten - an der Entmachtung des Kongresses durch Präsident Nicolas Maduro ändert das nichts. Die Opposition schäumt, Parlamentspräsident Julio Borges ruft zu Massenprotesten gegen den "Diktator" auf. In Caracas wird eine Autobahnspur blockiert, Aktivisten erhoffen eine Protestwelle,
die nun über das ganze Land rollen soll. Ob es dazu kommt, ist ungewiss, denn in der Vergangenheit sind derartige Appelle wirkungslos verhallt. Polizei, Geheimdienst und die Militärspitze halten Maduro weiter an der Macht.

Armut trotz Öl

Der Oberste Gerichtshof, der dem linksgerichteten, nunmehr allmächtigen Präsidenten nahesteht, hat nicht nur den von der Opposition dominierten Kongress entmachtet, sondern gleichzeitig dessen Kompetenzen an sich gerissen. Maduro kann nun ungehindert "durchregieren", die Opposition, die eine Volksabstimmung über die Absetzung Maduros erzwingen wollte, hat das Nachsehen. Vorläufig.

Denn es ist nicht klar, wie lange sich das südamerikanische Land noch auf den Beinen halten kann. Venezuela verfügt über einen gewaltigen Ölreichtum, nach Jahren der Fehlentscheidungen nagt das Land dennoch am Hungertuch. Die Wirtschaft ist 2016 nach vorläufigen Zahlen um fast ein Fünftel geschrumpft, es herrschen Hunger und Not. Als Folge der höchsten Inflation der Welt können die Menschen Lebensmittel und Medikamente, sofern es welche gibt, kaum bezahlen. Im vergangenen Jahr sind die Verbraucherpreise um rekordverdächtige 800 Prozent gestiegen. Wirtschaftsexperten sprechen von einer Hyperinflation.

Einer der Gründe für den Niedergang ist der anhaltend niedrige Ölpreis. Venezuela erwirtschaftet nahezu alle seine harten Devisen durch das Ölgeschäft. Das Land ist stark von Importen abhängig, kann aber kaum noch die Produkte in Dollar oder Euro bezahlen.

© M. Hirsch

Die sozialen Folgen der Misere sind enorm. Teile der Bevölkerung hungern, Grundnahrungsmittel sind Mangelware und die Versorgungslage verschlechtert sich täglich. Im Land wird kaum noch produziert, Importe sind viel zu teuer. Ein Kilo Bohnen verschlingt den halben Monatslohn eines Arbeiters, nur Mangos sind billig. Vor den Supermärkten bilden sich lange Schlangen, viele stellen sich schon um Mitternacht an, um ein Kilo Maismehl zu ergattern. Im Supermarkt sind die Lebensmittel subventioniert, auf dem Schwarzmarkt kosten sie das zehnfache. Tausende Menschen haben das Land bereits verlassen.

Notstand in den Spitälern

In den Krankenhäusern herrscht Notstand, es fehlen Medikamente gegen Bluthochdruck, Diabetes und Demenz. Es fehlen medizinische Geräte, die Aufzüge funktionieren nicht, oft gibt es nicht einmal Leitungswasser. Krankenstationen haben geschlossen, viele, denen eigentlich geholfen werden könnte, sterben. Die Gesunden beten, dass sie nicht krank werden, und die Kranken machen einen großen Bogen um Spitäler. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in den letzten Jahren massiv gesunken.

Landesweit regieren Inkompetenz, Korruption und Vetternwirtschaft. Die Gewalt nimmt zu, Übergriffe sind an der Tagesordnung, Raub, Mord und Überfälle ebenso. Caracas ist die Hauptstadt mit der höchsten Mordrate weltweit. Immer wieder kommt es zu Aufständen und Plünderungen. Dabei wird es für die Polizei immer schwieriger, zwischen Berufskriminellen und ganz normalen Bürgern zu unterscheiden, die einfach nur Mundraub begehen. 2015 starben 134 Polizisten im Dienst, viele Beamte erscheinen gar nicht mehr in der Arbeit - für einen Hungerlohn wollen sie nicht ihr Leben aufs Spiel setzen.

Für Maduro sind die "rechtsradikale" Opposition und eine "Verschwörung der USA" durch tief gehaltene Ölpreise schuld an der Misere. Regulär endet sein Mandat im Dezember 2018, nur ein Volksaufstand könnte für ein rascheres Ende sorgen.