Putin besucht Indien und will Kooperation intensivieren. Doch nicht alles ist eitel Wonne.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Neu-Delhi. Es schwingt eine gewisse Gleichgültigkeit mit, wenn der russische Präsident Wladimir Putin über das Auseinanderdriften seines Landes und des Westens spricht. Die zunehmende Isolation Moskaus quittiert der Präsident gerne damit, indem er zeigt, wie viele andere Freunde der Kreml auf der Welt hat. Bei der Hinwendung Putins gen Osten stand bisher vor allem China im Mittelpunkt. Mit einem Besuch in Neu-Delhi diese Woche will Russland nun aber auch die russisch-indischen Beziehungen intensivieren.
Historisch gesehen sind Moskau und Neu-Delhi seit Jahrzehnten Partner. Daran hat auch die Ukraine-Krise nichts geändert. "Jedes Kind in Indien weiß, dass Russland unser bester Freund ist", soll Indiens Premier Narendra Modi im Sommer in Brasilien zu Putin gesagt haben - wenige Tage, bevor die USA und EU eine dritte Welle an Sanktionen gegen Russland eingeleitet hatte. Die Inder haben sich diesen nicht angeschlossen. Sie profitierten vielmehr indirekt von ihnen - durch einen Anstieg von Lebensmittelexporten nach Russland.
Weniger Kriegsgerät aus Moskau
Neu-Delhi hat laut Experten nach wie vor sehr großes Interesse an umfangreicher Kooperation mit Moskau. Die Stimmung ist aber nicht gänzlich ungetrübt. Einerseits bezieht Indien, der mit Abstand der weltgrößte Waffenimporteur, einen sehr großen Teil seines Kriegsgeräts aus Russland. Zuletzt nahm dieser Anteil jedoch ab. Die Russen punkten zwar bei Panzern und strategischen Bombern, aber nicht im High-Tech-Rüstungsbereich. Drohnen und Satelliten kommen vorwiegend aus Israel. Und jüngst entschied sich Delhi, französische Kampfjets und US-Helikopter anstelle russischen Geräts zu ordern. Gleichzeitig betrachtet Indien mit Argwohn, dass Moskau im Frühjahr mit Pakistan Rüstungslieferungen abgeschlossen hat - entgegen früheren russischen Beteuerungen, man werde keine Waffen an Indiens Feinde liefern.
Zudem liegen die Wirtschaftsbeziehungen insgesamt hinter den Erwartungen. Der Handel zwischen Indien und Russland betrug 2013 geringe 10 Milliarden US-Dollar, eine Milliarde weniger als im Vorjahr. Ziel waren 15 Milliarden US-Dollar im Jahr 2015. Mit der Unterzeichnung von 20 Verträgen in Milliardenhöhe im Zuge des Putin-Besuchs soll der Handel nun wiederbelebt werden.
Ein zentraler Punkt der Abschlüsse ist der Bau von zwölf russischen Atomreaktoren binnen 20 Jahren. Weitere Abkommen regeln Hilfe beim Ausbau der maroden indischen Infrastruktur und den Export von Öl und Gas nach Indien. Laut Abschlussdokument wolle man "die Möglichkeit eines Pipeline-Systems zwischen Russland und Indien prüfen". Das Problem: Die Leitung müsste entweder durch das chinesische Himalaya-Gebiet oder Indiens Erzfeind Pakistan gehen. Putin deutete zudem an, dass sie zu teuer sein könnte. Sinnvoller erschienen ihm Lieferungen von Flüssiggas. So könnte Indien ab 2017, im Falle von Verzögerungen nicht später als 2021, regelmäßig versorgt werden.
Für Aufregung in der EU und in Kiew wird wohl die Tatsache sorgen, dass Putin den "Premier" der im März annektierten Krim mit nach Neu-Delhi nahm. Sergej Aksjonow unterzeichnete eine Absichtserklärung für eine engere Zusammenarbeit zwischen der Halbinsel und Neu-Delhi in den Feldern Pharmazie, Landwirtschaft und Tourismus.
Moskau senkt Leitzins
Unumstritten ist eine verstärkte Hinwendung zu Moskau in Delhi aber nicht. Dort wird derzeit gestritten, ob Indien mehr auf Russland oder auf die USA setzen soll. Karan Thapar, Analyst der "Hindustan Times", kommentierte, dass Modi die traditionellen Zweifel an einer Freundschaft mit den USA abgelegt habe. "Nicht Russland, sondern Amerika wird für ihn offensichtlich der wichtigste internationale Partner sein." Ein Beleg dafür seien der jüngste erfolgreiche USA-Besuch von Modi und der geplante Indien-Besuch von Barack Obama im Jänner. Experten geben zu bedenken, dass es kaum zu einem Wettlauf um die Gunst Indiens kommen werde, denn die Inder seien immer darauf bedacht, sich in keine Allianzen oder Abhängigkeiten zu begeben.
Putins Besuch in Indien kommt zu einer Zeit, in der er mit wirtschaftlichen Problemen zu Hause zu kämpfen hat. Moskau stemmt sich mit immer höheren Leitzinsen gegen die massive Kapitalflucht. Die Zentralbank entschied am Donnerstag, den Schlüsselzins um einen Punkt auf 10,5 Prozent hochzuschrauben. Zentralbankgeld ist heuer damit deutlich teurer, obwohl die Konjunktur eingebrochen ist. Der Rubel blieb dennoch weiter auf Talfahrt. Der Dollar stieg auf ein Rekordhoch von 55,45 Rubel.