Die neuen Modewörter "Lebenslanges Lernen" und "Weiterbildung" beschäftigten letzte Woche im Rahmen der Wirtschaftsgespräche der Denkfabrik "Europaforum Alpbach" Vertreter der Wirtschaftskammer, diverser Ministerien, Unternehmer, Arbeitnehmervertreter, Wissenschaftler, Journalisten und viele mehr. Wie kann das Humankapital der Berufstätigen durch Weiterbildung erhöht werden? Das absehbare, aber wichtige Fazit: Es muss etwas getan werden. Gefordert sind mehr Transparenz, Information, Zusammenarbeit, Anreize sowie bedarfsgerechtere und flexiblere Angebote.
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Wissen ist nicht nur Macht, sondern vor allem Kapital. Ein Kapital, mit dem ein Land wie Österreich Standortnachteile, z. B.: hohe Lohnnebenkosten und dergleichen, kompensieren kann. Doch wie kann man diese Kapital am besten nützenund vergrößern?
Bildung vernetzen und europäisch denken
Ein "Bildungscluster" nach dem Vorbild aus der Wirtschaft schwebt Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl vor. "Es soll ein kooperatives Netzwerk all jener sein, die Interesse an Bildung haben und in diesem Bereich aktiv sind. Dadurch sollen vorhandene Ressourcen optimiert und voll ausgenutzt werden." Unnötige Überschneidungen in Angeboten sollen beseitigt werden. Vor allem soll eine bessere Kommunikation zu einem besseren Angebot führen. So könnte etwa die Wirtschaft effizienter mit Schulen und Universitäten zusammen arbeiten. Wünschenswert wäre auch eine systematischere und konsequentere Berufsinformation. Sozialprestigedenken müsse dabei hinten angehalten werden, so Leitl.
In den nächsten Wochen werden konkrete Gespräche mit Bildungsministerin Elisabeth Gehrer zum Thema Bildungscluster geführt werden. "Von uns aus könnten wir schon Anfang des nächsten Jahres beginnen", so der Präsident. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) bringe Know-How, Geld und Organisation ein.
Aber auch international müsse es mehr Zusammenarbeit geben, so der Fazit diverser Diskussionen im Rahmen der Wirtschaftsgespräche in Alpbach. Gemeinsame Anrechnungsmodelle trotz unterschiedlicher Systeme sollen die Mobilität der Arbeitnehmer und Lernenden vergrößern. Eine komplette Vereinheitlichung aller Bildungssysteme sei nicht produktiv, so der Tenor in Alpbach. In diesem Sinne hat auch die EU letztes Jahr einen Aktionsplan zum Lebenslangen Lernen verfasst.
Investitionen in das Humankapital noch gering
Jährlich kommen für die Weiterbildung 16 Mrd. Schilling aus der Wirtschaft, 7 Mrd. von den Kursteilnehmern und 10 Mrd. aus der öffentlichen Hand, vorwiegend vom AMS, listete Peter Mitterbauer, Präsident der Vereinigung der Österreichischen Industrie, auf. Dem gegenüber stehen 190 Mrd., die die öffentliche Hand insgesamt für Bildung ausgibt. "Dieses Verhältnis muss sich grundlegend ändern. Die Weiterbildung muss vom Rand der Bildungspolitik in den Mittelpunkt rücken." Mitterbauer fordere aber nicht, dass der Staat alle Weiterbildungsangebote übernehme, sondern eine Verbesserung des Anreizsystems. Etwa nach niederländischen Beispiel, wo Unternehmen bis zu 40 Prozent der Weiterbildungskosten abschreiben können - in Österreich sind es derzeit nur 9 Prozent.
Je unternehmensspezifischer die Weiterbildung sei, desto mehr Verantwortung läge bei den Unternehmen, so Mitterbauer, aber gruppenspezifische Weiterbildung, wie etwa für ältere Arbeitnehmer, Behinderte oder wieder einsteigende Frauen, falle in die Verantwortung des Staates. Hier müssen zusätzlich die Rahmenbedingungen für benachteiligte Gruppen verbessert werden: z. B.: mehr Betreuungseinrichtungen für Kinder. Aber auch die Unternehmen sollten die Bedeutung der Weiterbildung erkennen.
Dazu Werner Teufelsbauer von der WKÖ: "Wer Kapital hat, muss das Kapital pflegen. Unternehmen müssen wie ein rationaler Investor handeln". Dazu müssten aber Anreize geschaffen werden, vor allem für Klein- und Mittelbetriebe. Ein Sparen bei der Weiterbildung von Angestellten hält Opel-Chef Franz Rottmeyer für falsch: "Würde ein Fußballpräsident das Training streichen?"
Peter Adler, von der Data Software GmbH, wiederum sprach von der Notwendigkeit einer Bildungswirtschaft. Die Anbieter müssen Werbung machen und kundenorientierte Angebote erstellen. Eine große Verantwortung, die Umdenken erfordere, so Alfred Payrleitner, APC Media Consulting, läge auch bei jedem Erwerbstätigen. "Bisher war man gewohnt, dass der Staat für die Bildung sorgt." Jetzt müsse man sich selbst darum kümmern. Bei einigen mangelt es an Motivation - bei vielen aber eher an Information.
Bildungswütiger oder bequemer Mensch
"42% der Erwerbstätigen sind bereit auch selbst in ihre Weiterbildung zu investieren", zitierte der Vorstandssprecher der Böhler-Uddeholm AG, Claus Raidl, eine Studie. Peter Fröhlich, Präsident der Donau-Universität Krems, bestätigte: 70 Prozent der studierenden Vollzahler finanzieren ihre Weiterbildung selbst. Dennoch machen nicht sehr viele von diversen Angeboten Gebrauch: Nur 35 Prozent aller Erwerbstätigen nehmen an Weiterbildungskursen teil. In den skandinavischen Ländern liegt die Quote oft bei über 50 Prozent.
Für Gisela Dybowsky, aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn, liegt ein Problem in der zu langen Ausbildung. "Man ist froh, wenn man es hinter sich hat". Vor allem einige ältere Menschen und Leute in Führungspositionen sehen nicht ein, warum sie noch etwas lernen sollen.
Als ein Problem wurde die sinkende "Halbwertszeit des Wissens" durch die rasante technologische Entwicklung identifiziert. Die Lösung: Fertigkeiten in sozialer Kompetenz, wie Verständnis für andere Kulturen, Teamarbeit oder Sprachen, sowie Informationsbeschaffung, Problemlösung und dergleichen vermitteln und weg kommen von der Spezialisierung, führte Felix Rauner vom Institut für Technik und Bildung der Uni Bremen aus.
Die Konzentration auf einzelne Allround-Spezialisten habe sich als das überlegenere Modell erwiesen. Wurde früher bei der Reparatur von Autos auf bis zu 40 Spezialisten zurückgegriffen, so nehme heute ein Mechaniker all diese Funktionen war. Es müsse auch eine Verkürzung der Ausbildungsdauer und eine Umstrukturierung zu einer berufsorientierteren Ausbildung erfolgen.
In der beruflichen Weiterbildung würden oft falsche Unterrichtsmethoden Interessierte davon abschrecken teilzunehmen. Verschultes Lernen sei nicht attraktiv für Leute, die im Berufsleben stehen, so Rauner, sie wollen die Anwendung in der Praxis sehen, damit die Motivation erhalten bleibt. Aber auch im Zusammenhang mit der immer stärkeren Ausbildung des e-learning müssten neue didaktische Methoden gefunden werden.
Während Rauner und andere auf den Wissensdrang des Menschen vertrauten, outete sich Raidl als Kapitalist und fragt: "Haben wir genug Druck auf den einzelnen, dass er sich weiterbildet. Gibt es eine Belohnung bzw. Bestrafung?". Die Lohnpolitik sei hier zu wenig differenziert.
Universitäten, FHs und Schulen in der Weiterbildung
"Unis und Fachhochschulen (FH) müssen sich zu Trägern der Weiterbildung entwickeln", forderte Mitterbauer gleich bei der Eröffnung. Freie Kapazitäten am Abend und in den Ferien müssten genutzt werden. Dazu Georg Winckler, Vorsitzender der Österreichischen Rektorenkonferenz und Rektor der Universität Wien: "Die Universitäten vermitteln noch zu viel Wissen und zu wenig Kompetenz." Er wies aber auf die über 200 Unilehrgänge, die Workshops und die Sommerkurse hin, die bereits bestehen.
Auch Uni Wien-Vizerektor Arthur Mettinger sieht einen Teil der Zukunft der Universitäten in der Weiterbildung, denn man müsse sich an die Bedingungen der Gesellschaft anpassen. Das erfordere eine Modularisierung und Flexibilisierung des Angebotes, was auch eine Rückkoppelung auf die Regelstudien haben werde. Zum Beispiel in der praxisnaheren Ausbildung. "Es muss eine AG der österreichischen Unis geben, die Fragen des Qualitätsmanagements angehen muss", forderte Winckler. Bei der Klage gegen die Donau-Universität Krems (siehe Kurzmeldungen) sei die "mangelnde Kontrolle sichtbar". Im Sinne einer "Harmonisierung des tertiären Sektors in Österreich", forderte Michael Landertshammer, Vorsitzender der Fachhochschul (FH)-Konferenz, die Möglichkeit für FHs Baccalaureatsstudien anzubieten.
Aber auch Schulen wollen in der Weiterbildung eine größere Rolle spielen. Wolfgang Hickel, Direktor der HTBLVA für Textilindustrie, etwa schlug vor, dass Schulen Kurse, die sie für ihre Schüler anbieten auch der Öffentlichkeit zugänglich machen. "Bis jetzt können wir das nicht machen."
Die in Alpbach entstandenen Ideen können online weitergesponnen werden: http://www.bildung.at/ .