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Alphabet des Alltags

Von Ulrike M. Spann

Wissen

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Die Zeit vor Weihnachten - sowieso die hektischste. Weihnachtsfeier: sehr oft, großes Besäufnis, Partystimmung, Büroflirt mit Ausrede.

Bereits im Sommer beginnen die Vorbereitungen: Extrazimmer in Restaurants werden reserviert, Musikbands engagiert. Schließlich wird daran die Wertschätzung der Mitarbeiter gemessen. Nebst der Firmenweihnachtsfeier soll noch das "besinnliche" Fest der Gartenfreunde, des Kegelclubs und des Singvereins im Dezember-Abendprogramm untergebracht werden.

Tische, die sich biegen, Punsch - süß und alkoholreich, Musik, die an den Maturaball erinnert - angereichert mit traditionellem Liedgut: "Riding home for Christmas" oder "Last Christmas". Da gibt's holprige Ansprachen, halbherzige Danksagung an die Mitarbeiter, keine Besinnung auf das bevorstehende Fest oder auf den Jahreswechsel, der normalerweise Garant für Sentimentalität ist. Nein, auf der Weihnachtsfeier soll es rund gehen.

Vor lauter gekünsteltem Weihnachtsstress vergessen wir auf den Anlass des Festes. Kekse werden keine gereicht, weil davon gibt es zu den Feiertagen viel zu viele.

Weihnachtswünsche sind noch unangebracht, weil man sieht sich ja noch eine Woche und ruhige Musik wäre fatal, da müsste man ja mit den Tischkollegen ins Gespräch kommen.

So bleibt's beim Geplänkel, die Gläser werden geleert und gefüllt, man wird anlehnungsbedürftig, macht eine Weihnachtsausnahme und erfüllt Weihnachtsfeierklischees.

Und um der weihnachtlichen Spießigkeit ganz zu entkommen, verbringt man das Fest der Christi-Geburt in Thailand, Südafrika oder auf den Malediven.

Weit weg von Weihnachtsliedern, Familientreffen, gebackenem Karpfen, Packerln, geschmücktem Baum und Christmette. Als Ausrede bewährt: Wir entkommen dem Weihnachtswahnsinn, dem Konsum, der Kaufgier, der Geschenkeflut.

Und auf der betrieblichen Weihnachtsfeier haben wir eh zu viel Punsch getrunken . . . zu viel Weihnachten.