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Alpine Gratwanderung

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Finanzministerin blockiert Forderungsverzicht, Strabag und Porr sind sauer.


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Wien. Ende Februar läuft das Stillhalteabkommen zwischen der maroden Alpine Bau, dem drittgrößten Baukonzern Österreichs, und den Gläubigern aus. Bis dahin muss der Sanierungsplan stehen. Das wäre auch so, doch nun steht das Werkl, und das Überleben des Unternehmens hängt am seidenen Faden. Denn die Alpine Bau hat im Zuge des "Industriepakets" der Regierung im Jahr 2009 Garantien der Republik erhalten, derzeit sind noch 150 Millionen Euro aushaftend. Damit sollte der Kreditklemme, ausgelöst durch die Finanzkrise, gegengesteuert werden. Gemäß Sanierungsplan müsste der Bund ebenfalls auf ein Drittel verzichten, um das notwendige Quorum von 95 Prozent zu erreichen. Dies lehnt Finanzministerin Maria Fekter nun ab, was den kreditgebenden Banken erhebliches Kopfzerbrechen bereitet. Und vermutlich auch den 15.000 Mitarbeitern des Konzerns, davon 7500 in Österreich. Wenn der Sanierungsplan nicht durchgeht, bleibt der Alpine wohl nur die Insolvenz. Es wäre die größte Pleite Österreichs seit 2010 (A-Tec) und vermutlich die insgesamt drittgrößte Insolvenz.

Verzicht nur bei Pleite

Das Finanzministerium, das auf Anfragen der "Wiener Zeitung" dazu nicht reagierte, pocht auf ein Gutachten der Finanzprokuratur, wonach ein Forderungsverzicht für die Alpine Bau nur im Insolvenzfall möglich sei. So wäre das seinerzeit im "Unternehmensstärkungsliquiditätsgesetz" (das heißt wirklich so, kurz ULSG) geregelt worden. Die Finanzministerin hätte im Bundesfinanzgesetz eine Möglichkeit, dies zu umgehen, wenn schwerer volkswirtschaftlichen Schaden entstünde. Wenn sie dies tut, muss es jedenfalls rasch geschehen. Das Okay zum Sanierungsplan der angeschlagenen Gruppe muss heute, Freitag, vorliegen, damit er kommende Woche noch formal abgesegnet werden kann. Am Donnerstag endet das Stillhalteabkommen.

Im Detail müsste die Republik auf ein Drittel verzichten, 50 Millionen Euro der Haftung würden also schlagend. Insgesamt machen die Bankverbindlichkeiten 520 Millionen Euro aus, die Gläubigerbanken würden ebenfalls ein Drittel abschreiben. 150 Millionen Euro (davon ist die Hälfte bereits geflossen) schießt der Alpine-Eigentümer, der spanische Baukonzern FCC, ein. Und rund 200 Millionen Euro sollen über den Verkauf von drei Tochtergesellschaften (Alpine Energie, Hazet Bau und GPS Underground Engineering) hereinkommen. Zugleich würde die Alpine ihre Aktivitäten in Osteuropa zurückfahren, und sich auf Österreich konzentrieren - eine Halbierung der Bauleistung von derzeit 3,6 Milliarden Euro.

Zweimal Raiffeisen

So weit der Plan, für den eine positive Fortführungseinschätzung des Beratungsunternehmens PwC vorliegen soll. Die 7500 Beschäftigten der Alpine in Österreich kämen demnach relativ glimpflich davon. Klar ist, dass alle Lieferanten und Banken (und damit auch die haftende Republik) im Insolvenzfall nicht ein Drittel, sondern zuerst 100 Prozent der Forderungen abschreiben müssten. Am ärgsten würde das die Raiffeisen Landesbank Oberösterreich treffen, die mit 80 Millionen Euro bei Alpine engagiert ist. Dort weiß man von den Bröseln nichts. "Bank Austria und Erste koordinieren den Alpine-Plan für alle Banken", sagt ein Sprecher. Bank Austria und Erste geben sich schmallippig. "Das Stillhalteabkommen läuft bis Ende Februar, es ist also klar, dass wir rasch eine Entscheidung brauchen", sagt ein Bank-Austria-Sprecher.

Vergleichsweise gering ist die RZB engagiert, trotzdem soll deren Generaldirektor Walter Rothensteiner bei der ihr (politisch nahestehenden) Finanzministerin Maria Fekter vorstellig geworden sein, um deren Nein zum Forderungsverzicht zu besprechen.

Wobei Raiffeisen in der Sache insgesamt zwei Seelen in der Brust hat. Der Baukonzern Strabag, der von Hans-Peter Haselsteiner und Raiffeisen kontrolliert wird, hat keine Freude mit der Alpine-Sanierung. Die Nummer zwei am Markt, die Porr, ebenso wenig. "Gesunder Wettbewerb ist unverzichtbar, da er die Innovationskräfte im Markt am Leben hält. Wettbewerb aber, der rein über den Preis ausgetragen wird, kann eine ganze Branche dauerhaft schädigen. Er bringt Firmen hervor, die durch Forderungsverzicht oder durch Schuldenerlass saniert werden müssen. Zusammengefasst heißt das: Preiskampf schadet letztlich dem Verbraucher", sagt der designierte Chef der Strabag, Thomas Birtel.

Das Argument hat was. Alpine, die 2012 einen Verlust von annähernd 300 Millionen Euro machte, wuchs in den vergangenen Jahren deutlich schneller, als es die Kapitaldecke zugelassen hätte. Mit Kampfpreisen wurden - vor allem in Osteuropa - Großprojekte an Land gezogen, die sich nun als Mühlsteine erweisen. Kraftwerke, Tunnels, Autobahnen, Flughäfen, Wohn-Anlagen quer über den Kontinent: Die Alpine war dabei - und billig.

Anleihezeichner bangen

Das beklagt Strabag-Chef Birtel. Auch die Strabag hat ein schwieriges Jahr 2012 hinter sich. Und die Porr befindet sich gerade in einer Umstrukturierung. Die Überkapazitäten in Osteuropa machen den Baukonzernen zu schaffen. Große Märkte wie Polen sind eingebrochen, es gibt viele säumige Zahler - und die verschuldeten Staaten haben wenig Geld für Investitionen in die Infrastruktur. "Sollte die Alpine vom Markt verschwinden, wäre das für Strabag und Porr eine Erleichterung", sagt ein Bau-Manager, der anonym bleiben will.

Sollte das Finanzministerium bei seiner harten Haltung bleiben, könnte das bald passieren. Grimmig würde es allerdings für Anleger, die Alpine-Unternehmensanleihen gezeichnet haben (oder ins Depot gemischt bekamen). Dabei geht es um 290 Millionen Euro. Diese Anleihe-Käufer steigen beim Sanierungskonzept ohne "Haircut" aus. Im Pleitefall ginge wohl ein großer Teil des Kapitals verloren. "Wenn das wirklich passiert, ist der Markt für Unternehmensanleihen aus und in Österreich tot", befürchtet ein Investmentbanker.

Unternehmensliquiditätsstärkungsgesetz - das Wortungetüm sollte zwischen 2009 und 2010 Industriebetrieben bei Investitionskrediten mittels Republikhaftung helfen. Es ging darum, die Kreditklemme zu überbrücken. Insgesamt bewilligte das Finanzministerium Haftungen über 1,35 Milliarden Euro. Davon sind derzeit etwa 900 Millionen Euro ausständig. Für die Haftung zahlen die Firmen Entgelte, die Republik nahm dadurch 40 Millionen Euro ein. Bisher gab es keine Ausfälle, Alpine würde daraus einen Verlust machen. Das Programm wurde 2011 beendet.