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Als aus Taxifahrern wieder Piloten wurden

Von Karl Morgenstern, Hamburg

Wirtschaft

Sie jammerten und schimpften über ihre Gehälter und waren trotzdem glücklich, wieder fliegen zu dürfen: Die wenigen ersten deutschen Piloten, die vor 50 Jahren nach komplizierten und höchst umstrittenen Auswahlkriterien wieder den Steuerknüppel bedienen durften, flogen anfangs unabhängig von ihren fliegerischen Erfahrungen ausschließlich als Copiloten.


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Ihre Vorgesetzten waren meist US-Flugkapitäne, die die Fluggesellschaft TWA des exzentrischen Milliardärs Howard Hughes nach Deutschland geschickt hatte. Monatsgehalt: 2.100 Dollar. Ihre deutschen Kollegen, die sich in den Nachkriegsjahren als Landwirte, Lehrer, Taxifahrer oder Fließbandarbeiter durchgeschlagen hatten, wurden in gleicher Höhe dotiert - allerdings in D-Mark. Ein US-Dollar entsprach damals 4,20 DM. So fing die Fliegerei in Deutschland wieder an.

Vier Jahre vor dem Start einer Convair 340 am 1. April 1955 um 7.43 Uhr von Hamburg über Düsseldorf und Frankfurt nach München - das Gegenflugzeug hatte in München eine Minute früher abgehoben - war in Köln das "Büro Bongers" gegründet worden, aus dem am 6. Jänner 1953 in Köln die "Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf" (Luftag) mit einem Aktienkapital von sechs Mio. DM entstand.

Schon am 26. September 1952 hatte die deutsche Regierung die Gründung einer Vorbereitungsgesellschaft für den geplanten Luftverkehr beschlossen, obwohl den Deutschen "die Herstellung und der Besitz, die Unterhaltung und der Betrieb von Flugzeugen aller Art" durch das Potsdamer Abkommen noch verboten war. Noch hatte die Bundesrepublik weder Souveränität noch Lufthoheit. Das alles gab es erst am 5. Mai 1955. Zwei Tage später aber folgte schon der erste Charterflug: Eine Super Constellation brachte Bundeskanzler Konrad Adenauer zum Staatsbesuch nach Paris.

Geflogen wurde in Deutschland allerdings längst, ehe die Deutschen wieder offiziell fliegen durften. Das Wirtschaftswunder begann lange vor den ersten zaghaften Kranich-Flugversuchen. 1951 beförderten 28 ausländische Airlines bereits 1,2 Millionen Fluggäste von den westdeutschen Flughäfen. Das waren immerhin fünf Mal so viele, wie 1938 die alte Lufthansa befördert hatte. Darunter waren nicht nur bekannte Airlines wie SAS, KLM oder Air France, sondern auch Ägypter, Polen, Argentinier oder Südafrikaner.

Doch dann ging alles sehr schnell. Hans M. Bongers, eine der wenigen Persönlichkeiten der schon 1926 gegründeten alten Lufthansa, die sich von der NS-Diktatur nicht hatten missbrauchen lassen und nie Mitglied der NSDAP gewesen waren, genoss das Vertrauen der Alliierten. Zu seinen ersten Schritten gehörte die Verpflichtung der Ingenieure Gerhard Höltje und Hans Süssenguth - beide trugen wesentlich zum Wiederaufstieg der Lufthansa bei.

Der 7. August 1954 wurde zum Meilenstein: Die Deutsche Lufthansa AG wurde offiziell gegründet. Am 29. November durften dann in Hamburg-Fuhlsbüttel, Deutschlands ältestem immer betriebenen Flughafen, die ersten beiden Convair in den blau-gelben Farben landen. Am 8. Juni 1955 flog die erste Super Constellation der Lufthansa von Hamburg über Düsseldorf und das irische Shannon nach New York-Idlewild.

Bereits im Februar 1956 kaufte die Lufthansa vier vierstrahlige Boeing 707 zum Stückpreis von 22 Mio. DM. Das Düsenzeitalter begann für die Lufthanseaten trotzdem erst am 17. März 1960 auf dem Nordatlantik. Die beiden Lufthansa-Chefpiloten Rudolf Mayr und Werner Utter hatten die erste Boing 707 am 2. März 1960 in Hamburg- Fuhlsbüttel abgeliefert.

Es war dasselbe Jahr, in dem die Lufthansa mit 1,2 Millionen Passagieren erstmals die Millionen-Barriere meisterte - 44 Jahre später waren es 42 Mal so viele. Als vor 50 Jahren alles wieder begann, wurden lediglich zwölf Flughäfen angeflogen. Und der erste vor fünf Jahrzehnten gedruckte Flugplan war ein kleines Faltblatt und versprach: "Lufthansa - wieder zu Ihren Diensten". Es informierte über vier Flüge an Werktagen auf innerdeutschen Strecken. Aus fünf Lufthansa-Maschinen 1955 wurden in 50 Jahren 254 - für den ganzen Lufthansa-Konzern sind heute 380 Turboprop-Flugzeuge und Jets im Einsatz. Und aus den 74.000 Passagieren des ersten Betriebsjahres nach dem Zweiten Weltkrieg wurden 50,9 Millionen. dpa