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Vor acht Jahrzehnten wurden die Österreicher von einer Wirtschaftskatastrophe noch härter getroffen als die Griechen heute.
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Griechischer Horror: Arbeitslosigkeit seit 2008 von 8 auf 22 Prozent gestiegen, 54 Prozent der Jugendlichen unter 24 Jahren ohne Job, fast schon Massenexodus arbeitsloser Fachleute und Jungakademiker. An die 40 Prozent der Bevölkerung ohne Sozialversicherung, Pensionen um 20 Prozent gekürzt, ein Fünftel der Spitäler wegen Materialmangels vor dem Aus, Staatsverschuldung 165 Prozent der wirtschaftlichen Jahresleistung. Die solventen EU-Staaten holen Griechenland unter den Rettungsschirm und setzen drastisches Sparen durch.
Diese Szene regt zu einem Rückblick auf jene Katastrophe an, die Österreich in der Weltwirtschaftskrise ab 1930 noch härter getroffen hat - obschon die unterschiedlichen Rahmenbedingungen jeden direkten Vergleich verbieten.
Bis 1933 fiel Österreichs Wirtschaftsleistung nach heutigem Geldwert von 36 Milliarden Euro auf 27 Milliarden zurück. Die Industrieproduktion sackte um 38 Prozent ab. Im gleichen Zeitraum stieg die Arbeitslosigkeit von rund 220.000 auf 557.000 oder 26 Prozent. Das Arbeitslosengeld wurde um 20 Prozent und seine Auszahlung von 30 auf 20 Wochen gekürzt. Das drückte Kaufkraft und Konsum - etwa bei Bekleidung um 40 Prozent oder bei Bier um 55 Prozent. Und weil fast 90 Prozent der Arbeitslosen alleinverdienende Männer waren, traf es gleich die ganze Familie. Die Regierung versuchte mit der "Abbauverordnung" so etwas wie eine gerechte Verteilung des Elends: Standen beide Eheleute im Staatsdienst, musste einer gehen. Das traf vor allem verheiratete Lehrerinnen.
Nicht nur in unserer Stadt strichen Arbeitslose ziellos herum. Musiker zogen von Haus zu Haus, spielten auf der Geige "Mei Muaterl war a Weanerin" und hofften, dass man ihnen aus den Fenstern in Papier gewickelt Zehn-Groschen-Münzen zuwerfe. Statt Butterbrot bekamen wir Kinder Brot belegt mit Daumen und Zeigefinger. Wir begriffen das alles nicht, obschon die Erwachsenen auffallend oft über "Arbeitslosigkeit" und "Not" sprachen.
Und weil Österreich die Nazis durch Verbote zu knebeln versuchte, verhängte auch noch Adolf Hitler im Mai 1933 (bis 1935) die "1000-Mark-Sperre", eine Visumgebühr für Reisen nach Österreich von 1000 Mark (umgerechnet 4500 Euro): Der Einbruch bei der Zahl der deutschen Gäste von 750.000 auf 70.000 traf Österreichs Tourismus verheerend.
1931 ging Österreichs größte Bank pleite und kein Rettungsschirm bot Unterschlupf. Erst auf dem Tiefpunkt der Katastrophe gewährte der Völkerbund 1933 eine Anleihe von umgerechnet 930 Millionen Euro. Diese Hilfe und die langsame Erholung der Weltwirtschaft besserten die Verhältnisse. Gleichwohl blieb die Zahl der Arbeitslosen bis 1937 konstant über 20 Prozent.
Neben düsteren Erinnerungen betagter Mitbürger bleibt aus dem österreichischen Drama eine Lehre für heute: Die Regierung sparte drastisch und beharrlich, um den Schilling als "harten Alpendollar" zu sichern. Strikte Deflationspolitik unterband öffentliche Investitionen - die Wiener Reichsbrücke oder die Glocknerstraße ausgenommen. Aber die internationale Erholung rettete Österreich vor dem Kaputtsparen.