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Als die Russen plötzlich "Da" sagten

Von Helmut Dité

Wirtschaft

"Froh, dass es vor ein Gericht kommt." | Laut Gutachten lief Aktienkauf korrekt. | Wien. "Einigermaßen überrascht, aber nicht beunruhigt" zeigte sich OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" über die am Mittwoch gegen ihn erhobene Anklage der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts des Insiderhandels. "Ich habe nicht erwartet, dass sich der Staatsanwalt den Argumenten der Finanzmarktaufsicht anschließt, bin aber eigentlich froh, dass die Sache jetzt vor einem ordentlichen Gericht abgehandelt wird."


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Seit die FMA Ende Juli einen Bericht über den Insiderhandels-Verdacht an die Staatsanwaltschaft leitete, hat Ruttenstorfer von mehreren Fachgutachten von Kapitalmarktrechtsexperten bestätigt bekommen, "stets völlig korrekt" gehandelt zu haben. Am Mittwoch ist er schließlich selbst mit der Nachricht von der Anklage an die Öffentlichkeit gegangen.

Auch der Vorsitzende des OMV-Aufsichtsrats und ÖIAG-Chef Peter Michaelis hat sich auf Basis der vorliegenden Gutachten "überrascht über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft" gezeigt. Nach heutigem Kenntnisstand gehe Michaelis davon aus, dass "der Aktienkauf korrekt und im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften" erfolgt sei. Der Aufsichtsrat werde sich "umgehend mit dem Thema" beschäftigen, hieß es.

Ob sich Ruttenstorfer tatsächlich des Insider-Handels mit OMV-Aktien schuldig gemacht hat, hängt vor allem davon ab, wann er gewusst hat, dass die OMV ihre 21,2-Prozent-Beteiligung am ungarischen Mineralölkonzern MOL an den russischen Konzern Surgutneftegaz verkaufen würde. Laut OMV kam der Deal im Wert von 1,4 Milliarden Euro sehr kurzfristig und überraschend zustande.

Wann wusste OMV-Chef von MOL-Verkauf?

Die Chronologie: Im August 2008 gesteht die OMV offiziell ein, dass ihre Pläne zur Übernahme der ungarischen MOL gescheitert sind. Die Fünftel-Beteiligung wird aber vorerst gehalten und als Finanzierungsinstrument genutzt. Investmentbanken informierten die OMV seit damals über Interessenten.

Am 14./15. März 2009 gab es erste Kontakte mit dem russischen Ölkonzern Surgutneftegaz bei einem Opec-Treffen in Wien. Dabei äußerten die Russen Interesse, sich an einem mitteleuropäischen Unternehmen einzukaufen, ohne konkret über den MOL-Anteil zu sprechen.

Am 18. März gab Ruttenstorfer dem "Profil" ein Interview, in dem er den Verkauf der MOL-Anteile für 2009 ausschließt: "Das gilt nicht für die Ewigkeit, aber heuer werden wir sie durchaus behalten."

Das "Profil"-Interview erscheint am 23. März. Am selben Tag erwirbt Ruttenstorfer im Rahmen eines firmeninternen Incentive-Programms 26.500 OMV-Aktien - die er laut dem Programm drei Jahre lang behalten muss - und meldet diesen "Directors Deal" ordnungsgemäß der FMA.

Am 26. März gibt es in Moskau erste Gespräche mit Surgutneftegaz in Moskau über den Verkauf der MOL-Aktien. Diese enden ohne Einigung - der Kurs der MOL-Aktien liegt damals weit unter dem Buchwert, die OMV rechnet nicht damit, mit ihren Preisvorstellungen durchzukommen, eine Transaktion mit den Russen sei unwahrscheinlich, heißt es daher tags darauf in einem Bericht an den Aufsichtsrat.

Am 28. März nehmen die Russen von sich aus und laut OMV "überraschend" wieder Kontakt auf und übermitteln einen Vertragsentwurf, allerdings ohne Preisvorstellungen. Daraufhin beginnen Verhandlungen, die in der Nacht von 29. auf 30. März mit einer Einigung enden. Die OMV informiert in einer Ad-hoc-Mitteilung über die Transaktion. Die OMV-Aktien legen daraufhin um 3,33 Prozent auf 25,10 Euro zu, während der ATX 4,16 Prozent und der europäische Ölbranchenindex 4,2 Prozent verlieren. Das entspricht einem Buchgewinn für Ruttenstorfers OMV-Aktienpaket von mehr als 33.000 Euro an dem einen Tag.

Ruttenstorfer realisierte den Gewinn damals und auch später nicht: "Ich habe die Aktien, wie es das Incentive-Programm vorschreibt, auch heute noch in meinem Besitz."

Insiderhandel

(red) Das Börsegesetz verbietet die Ausnutzung von öffentlich nicht bekanntem Vorteilswissen - Insider-Wissen - mit einer Haftandrohung von bis zu fünf Jahren. Doch der Weg zur Verurteilung ist lang: Staatsanwälte stöhnen oft unter den Insiderhandel-Prozessen, denn die Tat ist schwer nachzuweisen. Es hängt einerseits vom nachzuweisenden Wissensstand der Person zum Kaufzeitpunkt ab und andererseits vom Vorsatz der Bereicherung. Dazu ist es aber nicht notwendig, Gewinn gemacht zu haben. Die FMA hält diesbezüglich die Argumentation von Wolfgang Ruttenstorfer, dass er den Kursgewinn nicht zu Geld gemacht hat, für irrelevant.

Im August mündete der Prozess gegen Kari Kapsch den Aufsichtsratsvize der Kapsch TrafficCom in einem außergerichtlichen Vergleich. Auch der Voest-alpine-Chef Franz Struzl verglich sich 2003.