Abweichende Kalender-Systeme sorgen für Verwirrung an Feiertagen. | Der jüdische Kalender betont Sonne und Mond. | Der Gregorianische Kalender setzt sich nahezu weltweit durch. | Wien. Am 5. Oktober 1582 wurde weltweit kein einziger Katholik geboren. Und dass Russen einander am 13. Jänner "S Novym Godom" wünschen, ist keine Seltenheit. Entweder sind es eingefleischte Traditionalisten. Oder sie feiern ganz wie wir von 31. Dezember bis 1. Jänner. Aber das nennen sie das "neue Neue Jahr". Und das "alte Neue Jahr" ist eben am 13. Jänner.
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Fix ist hingegen Weihnachten, und zwar am 7. Jänner. (Und was für Russen am schönsten ist: Von 1. bis 10. Jänner ist arbeitsfrei.)
Leichte Verwirrung? - Das haben abweichende Kalendersysteme so an sich. Und man muss dem römischen Imperator Julius Caesar geradezu dankbar sein, dass er nach einer Vereinheitlichung strebte. Sonst würden wir heute am Ende nach dem ägyptischen Kalender rechnen. Oder Vorarlberg würde nach Stonehenge rechnen und Wien nach dem Maya-Kalender.
Zyklen, Tiere, Monde
Dass es dermaßen viele voneinander abweichende Kalender gibt, liegt an der unterschiedlichen Systematisierung. Die Wiederkehr von Tierzügen war schon wichtig für die Jäger und Sammler, und als der Mensch den Ackerbau begann, wollte er wissen, wann am besten auszusäen sei. Sozusagen ist der Kalender eine der frühesten Naturdokumentationen. Doch da ein Kalender eben ein zyklisches System bildet, bestanden seit jeher Unterschiede in der Erstellung dieser Zyklen. Der grundlegende Unterschied ist zum Beispiel, ob man die Zyklen am Mond oder der Sonne ausrichtet.
Der Mond war offenbar leichter in den Griff zu bekommen, weshalb die meisten frühen Kalender denn auch Mondkalender waren. Der religiöse islamische Kalender ist heute noch ein Mondkalender, und auch im christlichen Kalender hat der Mond Spuren hinterlassen. Ostern beispielsweise fällt immer auf den Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond. Und rein sprachlich hat der Mond im Wort Monat seinen Eindruck hinterlassen. Der Nachteil des Lunarkalenders ist freilich, dass er über den Wechsel der Jahreszeiten kaum Aufschluss zulässt. Die Juden, die zugleich an ihrem traditionellen Mondkalender festhalten, diesen aber an das Sonnenjahr angleichen wollten, kamen daher auf die Idee, Lunar- und Solar-Kalender zu kombinieren: Sie orientieren ihre Monate an den Mondphasen, fügen jedoch eine Schaltregel hinzu, um einen Ausgleich zu dem um 11 Tage längeren Sonnenjahr zu schaffen: Hillel II. verordnet im Jahr 359, dass in einem Zyklus von 19 Jahren sieben Mal ein 30-tägiger Schaltmonat hinzugefügt wird. Schaltjahre sind das 3., 6., 8., 11., 14., 17. und 19. Jahr des Zyklus.
Julius Caesars Plagiat
Wir hingegen rechnen im Grunde nach dem ägyptischen Kalendersystem. Schon im 3. Jahrtausend v. Chr. hatten die Ägypter das Jahr mit 365 Tagen berechnet. Allmählich jedoch merkten sie, dass sich die Jahreszeiten anders verschoben als vom Kalender vorhergesagt. Kein Wunder, denn das von der Sonne abhängige Jahr dauert nicht genau 365 Tage, sondern genau 365 Tage, 5 Stunden, 49 Minuten und, sozusagen zum Drüberstreuen für den gerne mit komplexen Zahlen rechnenden Mathematiker, 12 Sekunden. Pharao Ptolemaios III. führte 238 v. Chr. erstmals den Schalttag ein. Den Ägyptern konvenierte dies jedoch gar nicht, und sie kehrten nach Ptolemaios Tod im Jahr 222 v. Chr. zum alten System ohne Schalttag zurück. Julius Caesar jedoch erkannte die Vorteile des ptolemaischen Systems und führte es als 45 v. Chr. ein. Natürlich nicht, ohne es als "julianischen Kalender" auszugeben.
Diesen Julianischen Kalender verbreiteten die Römer in allen von ihnen besetzten Gebieten, wodurch er zu uns kam und durch das Christentum vorerst übernommen wurde. Der Nachteil des Julianischen Kalenders ist jedoch ein gravierendes Abweichen von den Mondphasen: Der Vollmond war den berechneten Terminen stets voraus. Nun ist aber das höchste Fest des Christentums, Ostern, von den Mondphasen abhängig. Womit es galt, eine Möglichkeit zu finden, Ostern präzise fixieren zu können. Der Grundfehler des Julianischen Kalenders nämlich war, dass er trotz seiner Schaltregel das Jahr um 11 Minuten und 14 Sekunden zu lange bemaß, wodurch sich allmählich Abweichungen zwischen dem errechneten Kalender und dem realen Jahr einstellten - immerhin ein Tag in 128 Jahren.
Ugo Boncompagni, 1502 in Bologna geboren, am 13. Mai 1572 nach einem weniger als 24 Stunden dauernden Konklave zum Papst gewählt, als der er sich den Namen Gregor XIII. gibt, 1585 gestorben, kommt das Verdienst zu, den heute weltweit meistgebräuchlichen Kalender entwickelt zu haben. Vor allem sollte das errechnete Jahr dem astronomischen entsprechen und die Frühlings-Tag-Nacht-Gleiche auf den 21. März fallen, wie es durch das Konzil von Nicäa im Jahre 325 festgelegt worden war. Am 24. Februar 1582 führt Gregor XIII. mit der Bulle "Inter gravissimas" sein System ein.
Zehn Tage ohne Geburtstag
Gregor XIII. verfügt, die Vier-Jahres-Periodik der Schaltjahre zu modifizieren: Unter den Jahren, mit denen jeweils ein Jahrhundert zu Ende geht (Jahre wie 1300, 1400 oder 1500), sollten nur noch diejenigen Schaltjahre sein, die sich durch 400 teilen ließen, etwa die Jahre 1600, 2000 und 2400. Damit sind 400 Jahre im Gregorianischen Kalender drei Tage kürzer als im Julianischen. Die überzähligen zehn Tage, die sich seit dem Konzil von Nicäa angehäuft hatten, lässt Gregor aus dem Kalender entfernen: Auf Donnerstag, den 4. Oktober 1582 folgt Freitag, der 15. Oktober.
Da das orthodoxe Christentum seine Dogmen ausschließlich an den sieben ökumenischen Konzilen zwischen 325 und 787 orientiert, übernimmt es die Gregorianische Kalenderreform vorerst nicht. In Russland wird der Gregorianische Kalender erst 1918 eingeführt als politisches Signal der Bolschewiken, mit der mit religiösen Festen verbundenen Julianischen Tradition zu brechen. Wahrscheinlich hält genau aus diesem Grund das Moskauer Patriarchat unverbrüchlich an der vorrevolutionären Julianischen Tradition fest. Deshalb finden die wieder eingeführten religiösen Feste nicht gleichzeitig mit jenen anderer christlicher Kirchen statt. Allerdings gilt das nicht für alle orthodoxen Kirchen. Jene Rumäniens etwa feiert Weihnachten ganz wie Katholiken und Protestanten am 25. Dezember.
Sonnenjahr und Esoterik
Ein eigenes Kalendersystem hat auch die koptisch-orthodoxe Kirche. Sie rechnet das Jahr mit zwölf Monaten zu je 30 Tagen und fügt an diese fünf sogenannte Epagomene (in Schaltjahren sechs) an. Damit ist er ein Äquivalent zum Zoroastrischen Kalender, der heute noch bei den Parsen gebräuchlich ist.
Zum Gregorianischen System abweichende Sonnenkalender sind heute vor allem noch in Asien in Gebrauch. Sie berechnen das Sonnenjahr korrekt, teilen es jedoch aufgrund anderer religiöser und Kultur immanenter Fixpunkte unterschiedlich ein. Auch der wegen diverser apokalyptischer Prophezeiungen immer wieder ins Gespräch gebrachte Maya-Kalender ist ein Sonnenkalender, der allerdings zwei unterschiedliche Zählungen kombiniert: Der zivile Haab-Kalender besitzt 365 Tage (eingeteilt in 18 Monate mit je 20 Tagen und 5 Schalttagen), während der rituelle Tzolkin-Kalender 260 Tage umfasst. Diese beiden Zählungen muss man sich als ein kleineres Zahnrad vorstellen, das in ein größeres greift. Zwangsläufig fällt ein Haab-Datum mit dem identischen Tzolkin-Datum nur alle 18.980 Tage zusammen (da 18.980 das kleinste gemeinsame Vielfache von 365 und 260 ist). Darüber hinaus entwickelten die Maya für ihre Geschichtsaufzeichnung die sogenannte Lange Zählung, ein komplexes System zur Darstellung von Daten. Da alle Zählungen am 21. Dezember (laut anderer Berechnungen am 23. Dezember) 2012 zusammenfallen, nehmen diverse esoterische Zirkel ein Weltende oder einen Welt-Neubeginn zu diesem Zeitpunkt an.
Apropos Esoterik: Auch der keltische Kalender findet großen Zuspruch. Doch leider - mit Kelten hat er rein gar nichts zu tun. Er ist ein Konstrukt, das der britische Historiker und Roman-Autor Robert Ranke-Graves, bekannt für "Ich, Claudius, Kaiser und Gott", in seinem Buch "Die weiße Göttin" entwickelt hat, zu dem die französischen Journalistin Paule Delsol 1971 im Auftrag des Mode-Magazins Marie Claire ein Horoskop-System erfand: Die vermeintlich uralte Kelten-Mystik erweist sich als modernes Lifestyle-Produkt.