Heute sehen die Kritiker das genau andersrum.
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Die Idee des Freihandels hat schon bessere Zeiten erlebt. In Österreich läuft gerade die Eintragungsfrist des Volksbegehrens gegen TTIP (EU-USA), TiSA (zu Dienstleistungen) und Ceta (EU-Kanada), für dessen Unterstützung eine seltsame Allianz aus linken Globalisierungsgegnern, etlichen SPÖ-Teilorganisationen und Gewerkschaftern bis hinüber zur FPÖ kampagnisiert. Und in den USA hat Donald Trump als eine seiner ersten Amtshandlungen das transpazifische Freihandelsabkommen TPP aufgekündigt und Nafta, das die USA, Kanada und Mexiko zu einem gemeinsamen Markt verbindet, soll neu verhandelt werden.
In anderen Worten: Die - mit Unterbrechungen - rund 200-jährige Ära des Freihandels, die trotz Schattenseiten grosso modo eine Erfolgsgeschichte war, scheint sich vorerst dem Ende zuzuneigen.
Dabei diente die Idee des Freihandels in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keineswegs nur dazu, den Frühkapitalisten freie Bahn zu verschaffen. Dahinter steckte auch ein - stark christlich unterlegter - philanthropischer Weg zum Weltfrieden, ein idealistisches Gegenkonzept gegen den Absolutismus der europäischen Fürsten, Kaiser und Könige und die "dauerhafteste Variante des utopischen Internationalismus", wie es der britische Historiker Mark Mazower in "Die Welt regieren - Eine Geschichte und ihre Idee" (München 2013) formulierte. Das Wochenmagazin "The Economist", das Meinungsorgan der liberalen Globalisierungsbefürworter, ist, aber das nur am Rande, ein Kind dieser Idee.
Der Abbau von Zöllen, offene Ökonomien galten dieser idealistisch-kapitalistischen Bewegung (diese Verbindung war im 19. Jahrhundert noch widerspruchslos möglich) als Vorbereitung zu globaler Eintracht und Weltfrieden, Protektionismus und Handelshemmnisse dagegen galten als Vorstufe zur Kriegslust.
Robert Peel, ein britischer Staatsmann, gab bei der bahnbrechenden Aufhebung der Getreidezölle 1846 (die sogenannten "Corn Laws") folgende Handlungsempfehlung ab: "Handel ist das erfolgreiche Instrument zur Förderung der Zivilisation, zur Beschwichtigung nationaler Eifersüchteleien und Vorurteile und zur Ermunterung bei der Wahrung des allgemeinen Friedens." Und das Ausverhandeln bilateraler Handelsverträge wurde damals als wirksames Rezept gegen die Geheimdiplomatie der Großmächte, als demokratischer und transparenter Fortschritt betrachtet.
Der harte Kern der heutigen Kritiker dieser Idee vom Freihandel sehen das - ungeachtet all ihrer sonstigen Motivlagen und Unterschiede - genau umgekehrt. Der Wegfall von Handelshemmnissen bedeutet für sie weniger Demokratie und weniger Freiheit für viele, profitieren würden dagegen nur einige.
Geschichte wiederholt sich nicht, deshalb ist nicht gesagt, dass das Erstarken des Protektionismus auf der Bühne der Weltpolitik zwingend den Auftakt für dunkle Zeiten anzeigt. Mindestens so interessant sind da aber die Folgen einer bunten Allianz von ziemlich weit links bis nach ziemlich weit rechts in einer zentralen Frage der Politik. Wenn das politische Zentrum auf diese Weise in die Zange genommen wird, dann bricht nämlich meistens das Zentrum auseinander.