Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Am 19. März 1938 legte der Ständige Vertreter Mexikos, Isidro Fabela, vor dem Völkerbund in Genf die mexikanische Protestnote gegen den "Anschluss" Österreichs an Hitler-Deutschland vor, in der dieser als Verletzung der Grundprinzipien des Völkerbund-Pakts sowie des Völkerrechts bezeichnet wurde.
In seiner Korrespondenz mit dem Präsidenten Mexikos, Lázaro Cárdenas, beschrieb Fabela Österreich als ein Land, das "seit 1934 seiner demokratischen Kräfte beraubt" worden war und "bewusst dem unaufhaltsamen Expansionsdrang des Dritten Reichs als Beute überlassen" wurde. Dazu ein Zitat des bekannten österreichischen Historikers Christian Kloyber: "Fabelas Briefe waren ein Aufruf zum Handeln, eine Anstiftung zur Menschlichkeit und ein Gebot der internationalen Solidarität."
Der mexikanische Protest entsprach der außenpolitischen Haltung unseres Landes in den Jahren vor 1938 und war kongruent mit den Grundsätzen unserer Diplomatie, die auf Nicht-Einmischung und Solidarität basiert. Mexiko trat damals - nach einem unruhigen 19. Jahrhundert und nach der mexikanischen Revolution - als ein Mitglied der internationalen Gemeinschaft auf, das eine klare Linie vertrat und Gleichheit und gegenseitigen Respekt zwischen den Staaten forderte. Im internen Kontext kann der Protest auch als eine in unserer komplexen Geschichte begründete Ausübung von Selbstbestimmung und nationaler Identität gesehen werden. Nicht umsonst gibt es in unserem Land heute ein "Nationalmuseum der Interventionen" (Museo Nacional de las Intervenciones).
Mexiko bot auch den österreichischen Flüchtlingen und Verfolgten Zuflucht und Exil. 1942 gründeten Exil-Österreicher in Mexiko-Stadt den Verein "Acción Republicana Austriaca de México" (Aram), um den intellektuellen Kampf gegen den Nationalsozialismus zu unterstützen und für Österreich aufzutreten.
Zahlreiche Veranstaltungen zur Erinnerung
Damit ermöglichte Mexiko den Österreichern unterschiedlicher Ideologien den Kampf gegen den Faschismus und die Schaffung einer neuen österreichischen Identität auf der Grundlage ihres kulturellen Schaffens. Die nach Mexiko geflüchteten Österreicher leisteten einen wertvollen und erfolgreichen Kulturbeitrag zur akademischen und künstlerischen Entwicklung Mexikos. Daher gedenken Mexiko und Österreich nun zum 80. Jahrestag des "Anschlusses" dieses Kapitels der gemeinsamen Geschichte mit einer Reihe von Veranstaltungen in Mexiko-Stadt, Wien und anderen Städten.
So fand am 14. März in Zusammenarbeit mit der Karl-Franzens-Universität Graz die Veranstaltungsreihe "Flagrante Violación" statt. Die Botschaft von Mexiko steuerte einen Vortrag mit dem Titel "Die mexikanische Diplomatie in den 1930er Jahren und ihre heutige Relevanz" bei, und Historiker Kloyber sprach über das "Österreichische Exil in Mexiko". Am 15. wurde die Dokumentationen "Visa al Paraíso" von Lilian Libermann über das Schaffen von Botschafter Gilberto Bosques gezeigt, am 21. März folgt "Volver la Vista - Der umgekehrte Blick" von Fridolin Schönwiese mit Beiträgen über in Österreich lebende Mexikanerinnen und Mexikaner sowie in Mexiko lebende Österreicherinnen und Österreicher.
Am 19. März nehme ich an einer Gedenkveranstaltung auf dem Wiener Mexikoplatz teil, bei der ein Kunstprojekt eröffnet wird, das unsere historischen Beziehungen und die heutige Bedeutung des mexikanischen Protests 1938 sowie des österreichischen Exils in Mexiko behandelt. Diese Veranstaltung wurde von einer Gruppe unabhängiger Künstler unter der Leitung des Historikers Berthold Molden organisiert.
Bekenntnis beider Nationen zum Völkerrecht
Am 20. März findet an der Rechtsfakultät Juridicum der Universität Wien unter dem Titel "In the Spirit of Isidro Fabela: Mexican and Austrian approaches to the Challenges of International Law" ein Symposium über das Völkerrecht und die Beziehung zwischen Mexiko und Österreich mit österreichischen und mexikanischen Juristen statt.
Am 21. März gibt dann auch ein Streichquartett der Wiener Philharmoniker ein mexikanisch-österreichisches Konzert "im Gedenken an das 20. Jahrhundert" im Brahms-Saal des Wiener Musikvereins mit Werken von Hanns Eisler, Marcel Rubin und Silvestre Revueltas. Und am 22. März veranstalten wir im Mexikanischen Kulturinstitut in Wien eine Podiumsdiskussion über Exil-Komponisten in Mexiko, an dem der anerkannten Akademiker Hartmut Krones teilnimmt. Gleichzeitig haben die Kollegen von der Österreichischen Botschaft in Mexiko ebenfalls eine Reihe an Gedenkveranstaltungen organisiert.
Die Bedeutung, die Mexiko und Österreich heute diesem Ereignis beimessen, unterstreicht eindeutig das Bekenntnis beider Nationen zum Völkerrecht als Grundlage für das internationale Zusammenleben.
Alicia Buenrostro Massieu ist Mexikos Botschafterin in Österreich.
Mehr zum Thema:
"100 Jahre Republik": www.wienerzeitung.at/100jahre
Schreiben Sie mit uns das Tagebuch "100 Jahre Republik" und schicken Sie uns Ihre persönlichen Geschichten: www.wienerzeitung.at/tagebuch