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Als Populistin nicht überzeugend

Von David Ignatius

Analysen
Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Nach dem Abrutschen in den jüngsten Wahlumfragen sollte Clinton mehr auf ihre Regierungserfahrung bauen.


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Hillary Clinton ist in den jüngsten Umfragen abgerutscht, aber sie verfügt im Wahlkampf über eine große politische Chance: Sie kann als die Kandidatin antreten, die die Mainstreamführung beider Parteien repräsentiert und die weiß, wie das kaputte politische System der USA zu reparieren ist. In einer Zeit, in der das Anti-Elite-Denken in beiden Parteien dominant ist, mag das Umhängen des Establishmentmantels wie ein Fehler erscheinen. Aber mal ehrlich: Clintons Stärke ist, dass sie die Stimme der erfahrenen Führungsschicht der Mitte ist. Eine überzeugende Populistin ist sie nicht. Je mehr sie versucht, wie eine zu klingen, umso unechter wirkt sie.

Da Clinton ihrer Mainstream-Abstammung nicht entkommen kann, sollte sie diese zu ihrem Vorteil nutzen und den Wählern erklären, wie sie, als jemand, der das System durch und durch versteht, den Stillstand in Washington durchbrechen und die Regierung dazu bringen will, für das Land zu arbeiten.

In einem polarisierten Staat für die Mitte zu kandidieren ist riskant. Clintons gegenwärtige Strategie, eine Art Bernie Sanders light, scheint nicht sehr gut zu funktionieren. Nicht einmal gegen den ganz und gar unqualifizierten republikanischen Gegner.

Eine mehr auf ihrer Regierungserfahrung aufgebaute Clinton-Strategie müsste drei Komponenten aufweisen. Erstens, die Massenlossagung führender Republikaner von Donald Trump. Dieser äußerte sich zum Überlaufen von Teilen der republikanischen Führung zu Clinton dahingehend, dass er froh sei, sie los zu sein: "Das ist nur die gescheiterte Washingtoner Elite, die sich an ihre Macht klammert."

Clinton sollte diese Ablehnung Trumps sich zunutze machen, um ihr Kernargument zu stärken: Trump ist intellektuell und wesensmäßig für das Präsidentenamt nicht geeignet. Er würde ohne klare Pläne und außen- und innenpolitische Berater ins Weiße Haus kommen. Clinton sollte zeigen, dass sie offen ist, unzufriedene Republikaner in ihre Regierung aufzunehmen.

Wen aber nominiert Trump für Schlüsselpositionen? Diese Frage zeichnet sich mit dem Näherrücken der Wahl immer stärker ab.

Die zweite Komponente von Clintons Strategie müsste sein, dass die Demokraten wahrscheinlich knapp die Kontrolle im Senat wiedergewinnen. Und die dritte Komponente wäre eine starke, glaubwürdige Botschaft darüber, wie Clinton die ersten hundert Tage regieren würde. Mittelstandwähler wollen unbedingt rasche Veränderungen. Sie wollen eine robustere Wirtschaft. Und sie wollen, dass die Früchte des Wirtschaftswachstums gerechter verteilt werden. Clinton hat die richtige Politik und die richtigen Programme, aber ihre Agenda klingt zu oft wie eine liberale Auflistung der Schmutzwäsche.

Clintons Schwachstelle ist, dass sie für eine Führungselite steht, der viele die Schuld am Irrweg der USA geben. Das kann sie nicht ändern. Die Herausforderung für sie lautet nun, den Wählern zu zeigen, dass sie weiß, wie die beschädigten USA wiederherzustellen sind. Und dass Trump, unerfahren und in seiner eigenen Partei isoliert, eine gefährliche Alternative ist.


Übersetzung: Hilde Weiss