Übergangsfristen am österreichischen Arbeitsmarkt seien sinnlos - Arbeitgebervertreter und Wirtschaftsexperten plädieren für eine Aufhebung der Schutzklauseln. Die Arbeiterkammer (AK) hingegen will die Beschränkungen für Arbeitende aus den neuen EU-Staaten aufrechterhalten.
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Ginge es nach Herbert Tumpel, wären es mehr als sieben Jahre. Vielleicht sollten die Übergangsfristen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den neuen EU-Staaten noch über 2011 hinaus verlängert werden, überlegt der AK-Präsident. Eine Entspannung auf dem österreichischen Arbeitsmarkt sei nämlich nicht in Sicht, erklärte Tumpel bei einer von AK und Grünen veranstalteten Diskussion zu Übergangsfristen. In den kommenden Jahren werde das Angebot an Arbeitskräften steigen: 10.000 bis 11.000 junge Menschen, 60.000 Personen, die wegen der Anhebung des Pensionsalters länger arbeiten, und "auch Frauen wollen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen", meint der AK-Präsident. Daher sei es "unverantwortlich, von den Schutzfristen abzugehen".
Völlig anderer Ansicht ist Wirtschaftskammer-Generalsekretär Reinhold Mitterlehner. "Ursache und Wirkung werden vermischt", stellt er fest. Die Probleme am Arbeitsmarkt hätten nichts zu tun mit der EU-Erweiterung, von der Österreich profitiere. Auch könnten einige Betriebe ihren Bedarf an Facharbeitern etwa nicht mit österreichischen Kräften abdecken. "Was wir bis jetzt gemacht haben, ist eine Blockade", kritisiert Mitterlehner.
Das Abschotten der Arbeitsmärkte ist trotz Übergangsfristen nicht möglich. Denn jene, die in Österreich arbeiten wollen, tun dies bereits - auf dem grauen und schwarzen Markt, wendet der Grüne Sozialsprecher Karl Öllinger ein. Und wenn die Zeit, in der die Schutzklauseln gelten, nicht für konjunkturbelebende Maßnahmen genützt werde, bleibe das Problem auch nach sieben Jahren erhalten.
Ob die Fristen bis 2011 gelten, ist jedoch fraglich. Ein Jahr noch - bis 30. April 2006 - bleiben die nationalen Zugangsbeschränkungen jedenfalls aufrecht, danach können die einzelnen Staaten die Fristen für weitere drei Jahre verlängern. Eine nochmalige Verlängerung ist nur mit einer guten Begründung - etwa bei tiefgreifenden Arbeitsmarktproblemen - möglich.
Laut Petr Havlik vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche hätten jene Länder, die ohne Übergangsfristen auskommen, kaum Probleme. Großbritannien etwa sucht gezielt nach polnischen Arbeitskräften. Mehr als 176.000 Menschen aus den osteuropäischen neuen EU-Staaten sind seit 1. Mai 2004 eingewandert. In Irland sind es rund 85.000 Personen - und die Arbeitslosigkeit sinkt. "Was ist schlecht daran, dass die Menschen mobil sind?" fragt Havlik.
Öffnung notwendig
In Österreich arbeiten nach AK-Angaben mehr als 40.000 Menschen aus osteuropäischen Staaten legal. Und eine Öffnung des Arbeitsmarktes würde vor allem die Schwarzarbeit in Österreich zurückdrängen, ist Friedrich Schneider von der Johannes Kepler Universität Linz überzeugt. Dabei werde die Schattenwirtschaft in erster Linie von Österreichern betrieben. "Nur 16 Prozent sind Ausländer, und davon kommt vielleicht ein Drittel aus osteuropäischen Staaten", erklärt der Volkswirtschafter im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Als Touristen geliebt, als Arbeiter unerwünscht: So umreißt Schneider den Zugang zu Ausländern. Doch für einen Massenansturm von Arbeitskräften aus Osteuropa gebe es keine Evidenz - weder für die Wirtschaft noch die Schattenwirtschaft. "Wir werden den Arbeitsmarkt öffnen müssen, wenn wir unseren Produktionsstandort attraktiv machen wollen", legt Schneider dar.
Dies gelte auch in der Diskussion um die Dienstleistungsrichtlinie. Immerhin beruhe ein Drittel des Wohlstands in Österreich auf Export. "Wir wollen überallhin verkaufen, wehren uns aber gegen die Öffnung des Dienstleistungsmarktes bei uns", sagt Schneider. Diese Debatte sei "nicht redlich".