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Viele Hinweise deuten auf die Berber als Urahnen
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Berlin. Als Seefahrer aus dem Mittelmeer im 13. Jahrhundert die Kanarischen Inseln vor der afrikanischen Sahara-Küste im Atlantik entdeckten, wunderten sie sich über die dort lebenden Menschen. Obwohl die östliche Kanareninsel Fuerteventura gerade einmal 120 Kilometer vor Marokko liegt, hatten die Alt-Kanarier offensichtlich keine Schiffe, um dorthin zu fahren. Selbst zwischen den in Sichtweite voneinander liegenden sieben bewohnten Inseln des Archipels schien es nur wenige Kontakte zu geben: Auf jeder dieser Inseln wurde eine andere Sprache gesprochen und es zeigten sich deutliche kulturelle Unterschiede.
Dabei mussten die ersten Menschen über das Meer auf die Kanaren gekommen sein, ihre nautischen Fähigkeiten waren seither offensichtlich verloren gegangen. Über die Gründe rätseln Forscher nach wie vor. Die Herkunft der Alt-Kanarier aber klären Rosa Fregel von der Universidad de La Laguna auf Teneriffa und ihre Kollegen im Fachblatt "Plos one". Sie haben das Erbgut von 48 Menschen analysiert, deren Überreste Archäologen in fünf Fundstätten der Inseln ausgegraben hatten.
Vieles lenkt den Verdacht auf Nordafrika als Herkunftsregion. Tatsächlich schrieben diese Menschen vor Ankunft der Europäer eine Schrift, die heute nur noch von den Tuareg im Westen der Sahara verwendet wird. Diese Nomaden aber gehören zu den Berbern, die zwischen Marokko, der Zentral-Sahara und Libyen im Nordwesten Afrikas zuhause sind. Etliche Orte auf allen sieben der Kanarischen Inseln tragen heute noch Namen, die aus Berber-Sprachen wie dem Tamazight im Herzen Marokkos kommen.
Sicher identifiziert
Viele Hinweise deuten auf die Berber als Urahnen der Seefahrer hin, die einst die Inseln erreichten. Das Erbgut der heute auf dem Archipel lebenden Menschen aber lässt keine sicheren Schlüsse zu. Haben sich diese doch stark mit den Europäern gemischt, die seit der spanischen Eroberung der Kanarischen Inseln zwischen 1403 und 1496 auf die Inseln gekommenen sind. "Deshalb haben wir das Erbgut in den Überresten der Menschen untersucht, die vor dieser Zeit auf dem Archipel lebten." Auf den östlichen Inseln Lanzarote und Fuerteventura, die am nächsten an der Atlantikküste Nordafrikas liegen, scheinen die ersten Menschen vor rund 1700 bis 1900 Jahren angekommen zu sein. Kurz davor hatten auch die Römer einen Stützpunkt dort errichtet. Auf Gran Canaria sind die ältesten Spuren nur 1500 bis 1600 Jahre alt, auf dem noch weiter westlich liegenden Teneriffa sogar nur 1350 bis gut 1100 Jahre. Die kleineren Inseln weiter im Westen wurden dagegen bereits früher besiedelt: Auf El Hierro kamen die Menschen vor rund 1500 Jahren an, La Palma erreichten sie vor 1700 Jahren und La Gomera anscheinend schon vor 1800 Jahren.
Schon früher hatten Genanalysen auf den Norden Afrikas als Herkunft gedeutet. Jedoch zerlegt das warme, subtropische Klima des Archipels das Erbgut rasch in Fragmente, die sich mit herkömmlichen Methoden untersuchen lassen, aber nicht allzu zuverlässige Ergebnisse liefern. Erst das Next-Generation-Sequencing hat das verbessert. Damit wurden die Berber aus dem Nordwesten Afrikas nun als die Vorfahren der Alt-Kanarier sicher identifiziert.
Das Erbgut verrät noch mehr: So lebten auf den großen, wasserreichen Inseln Teneriffa und Gran Canaria ähnlich wie auf der kleineren Insel La Palma, die relativ hohe Niederschläge abbekommt, Menschen mit einer großen Vielfalt im Erbgut. Die Erbinformation der Einwohner der kargeren, wüstenähnlichen Inseln Fuerteventura und Lanzarote und der Eilande La Gomera und vor allem El Hierro sind dagegen recht einheitlich. "Entweder sind dort ursprünglich nur wenige Menschen angekommen oder zwischenzeitlich war die Bevölkerung dezimiert", so Fregel - etwa durch die Eroberung der Kanarischen Inseln.
Alt-Kanarier blieben isoliert
Obendrein fanden die Menschen dort kaum Metallerze und fielen dadurch in die Steinzeit zurück. Ohne Metalle lassen sich kaum hochseetaugliche Schiffe bauen, die gegen den Wind und die Strömung nach Afrika zurücksegeln konnten. Dadurch blieben die Alt-Kanarier auf ihren Inseln und vor allem vom nordafrikanischen Festland isoliert.