Sozialist gegen Hochadel: Zwei Polit-Haudegen im Duell um Hradschin.
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Prag. Niemand hatte erwartet, dass Karel Schwarzenberg nach dem ersten Wahlgang der tschechischen Präsidentschaftswahlen dem erklärten Favoriten Milo Zeman so dicht auf den Fersen sein wird. Noch Mitte vergangener Woche lag Schwarzenberg laut Umfragen mit 11 Prozent auf dem vierten Platz der Wählerpräferenzen, während Zeman sich auf ein Viertel aller Stimmen verlassen konnte.
Und jetzt sieht alles ganz anders aus. Nur 41.000 Stimmen trennen Schwarzenberg vom Wahlsieger Zeman, genau 0,81 Prozentpunkte. Die könnte er in den Stichwahlen in zwei Wochen locker aufholen. Zum einen wird der Fürst viele Wähler anziehen, die im ersten Wahlgang anderen Kandidaten ihre Stimme gegeben haben. Die Wähler Jan Fischers, der noch bis zu den ersten Hochrechnungen als der große Favorit neben Zeman galt und dann doch nur, mit 16,4 Prozent der Stimmen, auf den dritten Platz kam. Oder die Wähler des ganzkörpertätowierten Künstlers Vladimír Franz, der mit knapp sieben Prozent Stimmanteil einen fünften Platz und einen Achtungserfolg erzielte. "Am wichtigsten für mich ist, dass es mir gelungen ist, die Bürgergesellschaft anzusprechen", kommentierte Franz sein Wahlergebnis.
Junge für Schwarzenberg
Die Bürgergesellschaft hat in diesen historisch ersten direkten Wahlen aber vor allem für Schwarzenberg gestimmt. Der Fürst hat in einer hervorragend organisierten Wahlkampagne, die den 75-jährigen altböhmischen Adeligen zum punkigen Popstar der Präsidentenwahl stilisiert hat, die Hoheit über die sozialen Netzwerke errungen. Unterstützt von sämtlichen ehemaligen Mitstreitern des verstorbenen Dichterpräsidenten Václav Havel, der ein Jahr nach seinem Tod zu einem neuzeitlichen Heiligen seines durch und durch säkularen Landes geworden ist, hat Schwarzenberg vor allem junge Leute angesprochen. Dass ihn die Mehrheit der Prager wie auch der Auslandstschechen gewählt hat, kommt weniger als Überraschung. Umso mehr aber seine Stimmmehrheit in sieben von 13 großen Kreisstädten. Einer soziologischen Wahlstudie nach ist der typische Schwarzenberg-Wähler unter 50, lebt in der Stadt und hat einen Hochschulabschluss. Aber selbst auf dem Land, in den Hochburgen Milo Zemans, hat Schwarzenberg gepunktet. Umso mehr in den Gegenden, in denen er, der über ein geschätztes Vermögen von 300 Millionen Franken (367 Mio. Euro) verfügt, Ländereien besitzt. Im Wahlkreis rund um seinen Stammsitz Orlík erhielt Schwarzenberg zum Beispiel 42,2 Prozent der Stimmen.
Schlechte Erinnerungen
Der erklärte Favorit der Wahlen, Milo Zeman, hat in Schwarzenberg einen Rivalen gefunden, der ihm den Kampf um die Burg nicht leicht machen wird. In seiner Wahlkampagne setzt Zeman vor allem auf Volkstümlichkeit, traditionelle Werte und soziale Sicherheit. Der brillante Rhetoriker glänzt eher in Fernsehdebatten als sozialen Netzwerken. Bei der Facebook-Generation wird Zeman es ohnehin schwer haben zu punkten. Zu sehr ist er verbunden mit der Ära von Václav Klaus, unter die viele Tschechen mit den Wahlen einen symbolischen Schlussstrich setzen möchten. Zeman und Klaus teilten sich zwischen 1998 und 2002 in einem sogenannten "Oppositionspakt" die Macht im Staat: Zeman als Ministerpräsident einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung und Klaus als Chef der quasi oppositionellen Bürgerpartei (ODS), der ihn duldete. Die Zeit dieses "Oppositionspakts" ist bis heute in Tschechien ein Synonym für Korruption und Klüngelei. Zudem hat der 68-Jährige, der bekannt ist für seine Liebe zu alkoholischen Getränken wie zu undiplomatischen Äußerungen, die Massenmedien gegen sich. Journalisten, die Zeman während seiner politischen Hochzeiten gerne als "Dreck" und "Abschaum" bezeichnete, werden nun in den Tagen vor der Wahl über ihn zu Gericht sitzen.
Unterstützung hat Zeman dafür von seinem alten Widersacher Klaus erhalten, der ihm seine Stimme gab. Auch die Kommunistische Partei hat zur Wahl Zemans aufgerufen. Zemans alte Partei, die Sozialdemokraten, sind hingegen gespalten zwischen Solidarität mit ihrem ehemaligen Vorsitzenden und Angst, als Präsident könnte Zeman Rache nehmen für die Präsidentschaftswahlen von 2003. Damals - die Wahl ging noch vom Parlament aus - hatten 27 Sozialdemokraten gegen Zeman und für Václav Klaus gestimmt, eine Schmach, die Zeman bis heute nicht vergessen hat. Einige prominente Sozialdemokraten, unter ihnen auch der sozialdemokratische Präsidentschaftskandidat und Hoffnungsträger Jirí Dienstbier, der im ersten Wahlgang mit einem Stimmanteil von 16,1 Prozent auf den vierten Platz kam, haben zur Wahl Schwarzenbergs aufgerufen.
Erste Scharmützel
Der gibt sich herausfordernd. Die nächsten 14 Tage werden richtungsweisend für Tschechien sein, sagte Schwarzenberg in einer kurzen Dankesrede nach der Wahl und erklärte: "Milo Zeman ist ein Mann der Vergangenheit." Und Schwarzenberg sei ein Mann der Gegenwart, konterte Zeman süffisant. Ein Seitenhieb auf Schwarzenbergs politisches Engagement. Der Fürst ist nicht nur Außenminister, sondern auch Vizeministerpräsident einer Regierung, die dank einer Politik aus Haushaltskürzungen und Steuerreformen als extrem unbeliebt gilt. Außerdem ist Schwarzenberg auch Vorsitzender der Regierungspartei TOP 09, die hinter harten Sozialreformen steht und schon einen Bestechungsskandal glattzubügeln hatte.