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Alte Antworten auf neue Fragen

Von Dafna Linzer, AP

Politik

New York - In dem Anfang Dezember vom Irak vorgelegten Rüstungsbericht vermissen UN-Vertreter Antworten auf mehrere hundert Fragen zu biologischen Waffen. So würden keine neuen Angaben etwa zur Produktion des Milzbranderregers Anthrax und möglichen Beständen davon gemacht, hieß es aus Kreisen der Vereinten Nationen in New York. Als Antwort auf die meisten Fragen habe der Irak lediglich Kopien vier und fünf Jahre alter Deklarationen beigefügt, die von der UNO schon in der Vergangenheit als unzureichend zurückgewiesen worden seien.


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Die UN-Spezialisten nahmen die irakische Erklärung über Biowaffen unter die Lupe und verglichen sie mit den früheren, unvollständigen Einlassungen. Teile des Berichts vom 7. Dezember seien nahezu identisch mit bereits 1996 und 1997 eingereichten Angaben, hieß es. Der Leiter der UN-Abrüstungskommission für den Irak (UNMOVIC), Hans Blix, hat angekündigt, die Lücken in der kommenden Woche bei einem Besuch in Bagdad ansprechen zu wollen. US-Außenminister Colin Powell sprach nach einer ersten Auswertung des 12.000 Seiten umfassenden Berichts bereits von einem "bedeutenden Verstoß" gegen die Irak auferlegten Verpflichtungen.

Während der ersten vier Jahre der Inspektionen, die nach Ende des Golfkriegs 1991 begannen, bestritt der Irak die Existenz eines Biowaffenprogramms. Erst als die Inspektoren unwiderlegbare Beweise vorlegten, räumte Bagdad dessen Existenz ein. Ob das Land das Programm wie angegeben vollständig einstellte und die Bestände zerstörte, konnten die Inspektoren nicht nachprüfen.

"Es gab viele unbeantwortete Fragen über die Mengenbilanz und die Arten und die Menge der Substanzen, die sie produziert haben", sagt Jonathan Tucker, ein früherer Biowaffeninspektor. "Obwohl der Irak angegeben hat, sein Biowaffenprogramm 1991 eliminiert zu haben, gab es Hinweise darauf, dass die Entwicklung für das Programm weiter vorangetrieben wurde."

Die Inspektoren hofften darauf, dass der neue Rüstungsbericht schlüssige Antworten über die irakische Anthrax- und Senfgasproduktion liefern würde. Kurz nach der Abreise der UN-Inspektoren aus Bagdad im Dezember 1998 verfasste deren Chef Richard Butler einen 280 Seiten umfassenden Bericht. Darin hieß es, dass die Kontrollore davon überzeugt seien, dass Bagdad über Dokumente verfüge, die "das vollständige Bild" seiner Waffenprogramme enthüllen würden. Der Irak habe sich aber geweigert, diese Dokumente zu übergeben.

In seinem jüngsten Bericht macht der Irak geltend, solche Dokumente nicht zu besitzen und das Geschehen nur anhand der Erinnerung derer rekonstruieren zu können, die an dem Programm beteiligt waren. In einigen Fällen könnten keine vollständigen Antworten gegeben werden, da alle Beweise und Dokumente zerstört worden seien. Im Butler-Bericht hieß es, der Irak habe nicht über alle biologischen Substanzen und die für ihre Produktion nötigen Nährlösungen Rechenschaft abgelegt. Die Inspektoren glaubten etwa, dass der Irak drei Mal so viel Anthrax und 16 Mal so viel Wundbrandgas hergestellt habe wie angegeben.

Butlers Bericht, den er im Jänner 1999 dem UN-Sicherheitsrat vorlegte, bezeichnete die irakische Erklärung als "unzureichend in allen Bereichen". "Während der letzten Inspektionsrunde haben wir mehr mit Anthrax gefüllte Sprengköpfe gefunden als sie angegeben haben", sagt einer der Inspektoren, der schon unter Butler im Irak war und nun mit Blix arbeitet. "Wir fanden sieben, und sie haben fünf angegeben. Also mussten sie Material zur Herstellung von sieben produziert haben, und sie haben uns immer noch nicht gesagt, wo das zu finden ist."

Der Inspektor, der nicht genannt werden wollte, erklärte, Anthrax rangiere auf der Prioritätenliste der Inspektoren ganz oben. "Sie hätten uns neue Antworten, neue Informationen geben können, aber sie haben es nicht getan." Ein anderer UN-Mitarbeiter hat erklärt, die Inspektoren seien überrascht, dass der Irak sich "nicht einmal die Mühe gibt, die Antworten neu aussehen zu lassen".