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Alte Denkmuster aufbrechen

Von Bettina T. Resl

Gastkommentare
Bettina T. Resl ist Stellvertretende Vorsitzende des Hildegard Burjan Instituts - Verein zur Förderung der politischen Bildung. Sie war von 2005 bis 2011 als Kabinettsmitarbeiterin im Gesundheits- und im Wissenschaftsministerium tätig.

In den einzelnen Themenclustern der Koalitionsverhandlungen darf weder die weibliche noch die männliche Perspektive fehlen.


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Dieser Tage veröffentlichte eine Wiener Politikberatungsagentur die Liste der Regierungsverhandlungsteams der aktuell intensiv am Verhandlungstisch beschäftigten ÖVP und FPÖ. Die Liste liest sich wohl wie das "Who is Who" einer zukünftigen Regierung, und auch sonst stehen hier viele Namen von gut bekannten Parteigängerinnen*, aber auch Shootingstars darauf.

Es mag eine infame Unterstellung sein, doch die Themenverteilung auf die teilweise Neo-Abgeordneten und Expertinnen scheint auch ein Bild dessen zu sein, welche gesellschaftspolitische Einstellung einer möglichen neuen Regierung angezeiht werden darf. Sowohl ÖVP als auch FPÖ haben für den Themencluster "Verwaltungsreform und Verfassung" als auch für "Sicherheit, Ordnung und Heimatschutz" ausschließlich männliche Vertreter aus ihren Reihen entsendet, während die Themengebiete "Frauen" sowie "Familie und Jugend" ausschließlich mit Frauen besetzt sind. Hierbei zu argumentieren, es gäbe keine Expertinnen in den Reihen beider Parteien, die sich mit typisch männlich konnotierten Themen wie Landesverteidigung auseinandersetzen, kann an dieser Stelle ausgeschlossen werden, handelt es sich doch bei beiden Parteien um keine Kleinstparteien, die nicht auf einen entsprechenden Personal-Pool zurückgreifen könnten.

Viel mehr noch möchte man allerdings meinen, dass die beiden Parteien mit ihrem Gesellschaftsbild von Familie und Gesellschaft in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts stehen geblieben sind. So wie es fatal ist, die weibliche Perspektive und Expertinnensicht in Fragen wie etwa der Sicherheit und Verwaltung unseres Landes auszuklammern, ist es auch ein unverzeihlicher Fehler, die männliche Perspektive in familienpolitischen Belangen außer Acht zu lassen. Nicht nur dass die Perspektive fehlt, geht es in erster Linie auch um das Bild, das hier nach außen gezeichnet wird. Die beiden Parteien tätigen damit eine Aussage - ja viel mehr noch geben sie damit ein eindeutiges Statement ab. Geschlechtergerechtigkeit erreicht eine Gesellschaft allerdings nur, wenn sich beide Geschlechter zu gleichen Teilen in allen Politikbereichen einbringen (können). Und diese Gerechtigkeit beginnt schon damit, dass das zu erarbeitende Programm einer neuen Regierung entsprechend der Geschlechterverteilung auf die Expertinnen aufgeteilt wird.

Zugegeben, es mag nicht so offensichtlich sein, Expertinnen in männlich dominierten und Experten in weiblich dominierten Politikfeldern ausfindig zu machen. Doch gerade diese zukünftige Regierung ist mit dem Versprechen angetreten, es anders und neu angehen zu wollen. So darf von ihr auch verlangt werden, in Sachen Geschlechtergerechtigkeit alt tradierte Denkmuster über Bord zu werfen und endlich in der Gegenwart anzukommen.

Es bleibt zu hoffen, dass es sich bei eingangs erwähnter Liste um einen Recherchefehler der entsprechenden Agentur handelt und sich die Zusammensetzung der Teams geschlechtergerecht darstellt.

* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit formuliert die Autorin ausschließlich in weiblicher Form, ohne Männer damit ausschließen zu wollen.