Das Rezept von Coca Cola liegt in einem Tresor in Atlanta, und nur zwei Manager haben den Schlüssel dazu. PR-Legende oder nicht - die geheime Formel gehört zum Mythos des Getränks. Auch die Geschichte anderer Produkte und Ideen beginnt mit einem Geheimnis, das oft über Jahrhunderte gehütet wird - vom Kräuterlikör über Gewürzmischungen bis zu Torten und Serviettenfaltungen.
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Eine kleine Sensation verkündete ein US-Radiosender im Februar des heurigen Jahres. "Wir glauben, das Originalrezept gefunden zu haben", verkündete Ira Glass, der Moderator der Sendung "This American Life". Die Zutatenliste des gefundenen Rezepts enthält Zucker, Orangenöl, Koriander, Zitronenöl, Muskatöl, Orangenblütenöl, Zimtöl, Alkohol, Vanille, Zitronen, Karamellfarbe und flüssigen Kokaextrakt. Was wie die Zusammenstellung einer Medizin klingt, schmeckt auch wie eine, gibt Glass zu, nachdem man das Gebräu zum Test zusammengemischt hat. Und doch soll es das Originalrezept von Coca Cola sein - womit der Radiosender eines der bestgehüteten Firmengeheimnisse der Welt gelüftet hätte. Die geheime Zusammensetzung des dunklen Softdrinks gehört ganz zentral zum Mythos, der um die Marke Coca Cola aufgebaut wurde. Schon oft wurde versucht, die Rezeptur zu herauszufinden - um deren Geheimhaltung ranken sich Legenden, die der PR-Apparat des Unternehmens zu pflegen weiß. So heißt es, dass das Geheimrezept im Tresor einer Bank in Atlanta versteckt ist - nur zwei Manager sollen einen Schlüssel dazu haben, sie dürfen aus Sicherheitsgründen nur in verschiedenen Flugzeugen fliegen. Diese Geschichte ist so gut, dass Coca Cola sie auch in einer Werbekampagne erzählt hat. Auch wenn es bereits viele Cola-Kopien gibt, es gebe schließlich nur ein "real thing". In der Coca-Cola-Werbung zeichnet man ein Bild der Welt, falls "the formula" verloren ginge: Barbecues wären eine Katastrophe, Santa Claus würde beim Geschenke-Verteilen einschlafen, Sommer wären drückend heiß - auch das Ozonloch werde aufreißen. "Glücklicherweise ist die Formel sicher - und damit auch die Welt", heißt es zum Abschluss. Und nun soll diese Formel tatsächlich geknackt worden sein? Die Radiostation will sie in einem Auszug eines alten Rezepturenbuchs eines Apothekers gefunden haben, der 1979 in einer Zeitung in Atlanta abgedruckt wurde. Das Buch gehörte einem Freund des Coca-Cola-Erfinders John Stith Pemberton. Asa Griggs Candler kaufte Pemberton die Rechte an Coca Cola ab, änderte die Zusammensetzung leicht und nannte sie 7X. Er war besessen von der Geheimhaltung seiner "Sieben X" und weihte nur wenige Mitarbeiter in das Geheimnis ein, gebraut wurde im stillen Kämmerlein. Der Mythos Coca Cola war geboren. Diesen will man sich von den neuesten Enthüllungen auch nicht stören lassen. "Ob das Rezept ein Vorläufer sein kann? Ja, absolut", reagierte der Archivchef von Coca Cola, Phil Mooney. "Ist es das, das auch am Markt landete? Ich glaube nicht." Das Formelknacken wird also weitergehen.
PR-Instrument Geheimnis. In einer Zeit, in der Google und Wikipedia alle offenen Fragen mit einem Klick beantworten können, werden Geheimnisse und unentdeckte Formeln interessanter denn je. Und das wissen viele Unternehmen auch als PR-Instrument zu nützen. So entwickelte auch der Gründer der Fast-Food-Kette Kentucky Fried Chicken, Harland D. Sanders, eine Gewürzmischung, die ihm den Erfolg bescherte. Bis heute kennen nur wenige die Rezeptur. Auch die Rezeptur des französischen Kräuterlikörs Chartreuse gehört zu den gutgehüteten Geheimnissen: Im 17. Jahrhundert wurde den Mönchen der Großen Kartause in Grenoble das Rezept dazu geschenkt, bis heute kennen es nur wenige Mönche. Auch sie dürfen nur getrennt verreisen.
die Geheime zutat. Auch private Köche und Köchinnen wollten immer schon ihre Rezepte geheim halten, sie sollten etwas Besonderes bleiben und nicht jedem zur Verfügung stehen - wenn die Geheimnisträger sie aber doch an Neugierige weitergaben, fehlte nicht selten eine kleine Geheimzutat, die dem Gericht den letzten Schliff geben würde. Auch die Rezeptur der echten Worcestersauce, der tiefbraunen englischen Würzsauce, ist bis heute nicht ergründet. Das Rezept, 1837 im Labor entwickelt, besteht aus etwa zehn bekannten Zutaten und einer geheim gehaltenen. Nur wenige kennen die komplette Zusammensetzung, die Mitarbeiter arbeiten so voneinander getrennt, dass keiner genau weiß, was der andere produziert. Für Bestellungen der Grundzutaten werden Codewörter verwendet. Ebenso in Familien, wo Kochgeheimnisse oft handschriftlich von Generation zu Generation weitergegeben werden, werden Gugelhupf- und Schweinsbratenrezepte nicht selten ähnlich streng gehütet wie das Coca Cola-Rezept. Auch hier gibt es für viele eben nur ein "real thing" - und nicht auszudenken, wenn es jeder entdecken würde. Ob es nun um Verkaufszahlen oder um Familienehre geht, Geheimnisse regen die Fantasie an und machen ein Produkt, eine Speise oder eine Erfindung eben noch ein wenig interessanter und unnachahmlicher. So fasziniert in der Welt von Asterix und Obelix der Zaubertrank die Gemüter. Das Gebräu, das der Druide Miraculix herstellt, gibt nach dem Trinken übermenschliche Kräfte - bestes Beispiel ist Obelix: Als Kind in den Topf gefallen, stemmt er stets mühelos jeden Hinkelstein. Bis heute arbeiten Getränkehersteller mit dem Image des Zaubertranks, der ungeahnte Kräfte verleiht - "Red Bull" etwa "verleiht Flügel", natürlich ist auch seine Zusammensetzung ein Thema.
Auch in Österreich gibt es solche Geheimrezepte. Selbst wenn viele verschiedene Sachertorten in Kochbüchern und Konditoreien der Welt kursieren, stellt nur das Hotel Sacher die "Original Sacher-Torte" her. "Seit 1832 ist das Rezept ein streng gehütetes Geheimnis", erklärt Hoteldirektor Reiner Heilmann. Das Original befindet sich in einem Tresor der Eigentümerfamilie Gürtler, außer dieser kennen nur der Chefkonditor und dessen Vertreter das Rezept. Worin das Geheimnis der Original Sacher-Torte liegt? "In der Zusammensetzung der verschiedenen Schokoladen in der Masse und in der Glasur", sagt Heilmann und verrät damit nicht viel. Der Unterschied zu den vielen anderen Sachertorten der Welt liege im "einzigartigen Geschmack und in der Konsistenz der Originalrezeptur". Und es wäre kein Mythos, wenn es nicht auch hierzu eine legendäre Entstehungsgeschichte gäbe: Als in der Hofküche 1832 der Chefkonditor krank war und Fürst Metternich für sich und seine Gäste etwas Besonderes wünschte, erfand der 16-jährige Eduard Sacher die Sachertorte. Sie wurde in der Folge im Café Demel und im Hotel Sacher angeboten, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entbrannte ein Rechtsstreit über die originale Sachertorte. Heute ist im Hotel Sacher die "Original Sacher-Torte" erhältlich und im Demel gibt es "Demel's Sachertorte".
für staatsgäste. Auch in der Wiener Hofburg gibt es ein lange gehütetes Geheimnis, das nur ausgewählte Personen kennen. Wenn heute gekrönte Häupter oder Ministerpräsidenten in Wien zu Gast sind, wird bei Banketts sorgfältig gedeckt - und jeden Platz ziert eine Serviette in der sogenannten "Kaiserfaltung". Von der aufwendigen Faltung gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts Abbildungen, damals noch in der einfacheren Form mit zwei Röllchen, in die man Gebäck stecken konnte. Die Faltung war der Kaiserfamilie vorbehalten und auch hier wurde nur zu besonderen Gelegenheiten mit der Kaiserserviette gedeckt. "Wir haben Abbildungen von der Kaiserfaltung bei einem großen Essen mit dem preußischen König, aber auch bei Familienessen", erklärt Ilsebill Barta, Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Leiterin des Hofmobiliendepots. Heute kommt die Faltung nur bei höchsten Gästen zum Einsatz. Wenn Minister zu Gast sind, wird die Barockfaltung auf den Tischen gedeckt. "Nur zwei Damen und ein Tapezierer" wissen um das Geheimnis der Kaiserfaltung, "sie geben das von Generation zu Generation weiter", erklärt Barta. "Ich weiß auch, wie es geht, aber ich vergesse es immer wieder!" Die Schwierigkeit der Faltung liegt darin, dass die 90 mal 90 Zentimeter großen Servietten bereits in einem bestimmten Rhythmus vorgefaltet werden müssen, dann werden am Tisch die Röllchen aufgebaut. "Wenn sich jemand sehr intensiv damit beschäftigt, wird er draufkommen", meint Ilsebill Barta. Trotzdem wird die Faltanleitung weiter geheim gehalten und nicht weitergegeben - das Interesse daran existiert: etwa von Gastgewerbeschulen, die regelmäßig anfragen. "Es sollte den großen Staatsbanketten vorbehalten bleiben. Es sollte nicht jeder haben, es soll etwas Besonderes bleiben", meint Barta. Die Frauen, die das Geheimnis um die Kaiserserviette so gut hüten, sind stolz auf ihr Wissen: "Eine Dame wollte es nicht einmal ihrer Nachfolgerin verraten."