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Erst kommt die Quote, dann die Moral. Dem Grundsatz folgen die privaten TV-Sender. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sind zwar grundsätzlich gegen jenen Grundsatz, doch durchaus bereit, den Begriff Moral etwas weiter zu fassen. Zumindest so weit, dass ihr Quotenstreben sich erfolgreich entwickeln kann. Alte Hüte und junges Blut: Was in diesen programmatischen Doppelpack passt, trifft den Publikumsgeschmack. "Starmania" sei ein Hit, frohlockt die ORF-Geschäftsführung, die Zielgruppe der 15- bis 29-Jährigen fahre voll ab auf den nationalen Songcontest mit Seherbeteiligung.
Noch krasser sind die Quotenambitionen der ARD, welche vom natürlichen Spieltrieb mehr- oder minderjähriger TV-Konsumenten ausgehen. In "Deutschlands Talente", der "Gala-Show der Fernsehlotterie", treten "Top-Talente" aus den Bereichen Live-Gesang, Tanz, Artistik, Comedy und Starimitation sowohl auf als auch gegeneinander an. (Der Gewinner wird durch Abstimmung des Studiopublikums ermittelt.) Die neunjährige Laura singt einen bekannten Popsong, die rund fünfmal so alte wie dicke Martina singt ein Lied über dicke glückliche Frauen, vier junge Männer tanzen Break und Oliver aus Dortmund imitiert Elvis Presley. "Ich finde nicht die Spur", heißt's im "Faust", "von einem Geist, und alles ist Dressur". Hauptsache, die Quote stimmt.