Die ersten Tests an Keimlingen konnten keine Kontamination mit EHEC feststellen. | Bio-Betrieb in Niedersachsen zu Unrecht verdächtigt? | Hamburg/Wien. Die Aufregung war am Sonntagabend wohl ebenso groß gewesen wie die Hoffnung. Nach der wochenlangen erfolglosen Suche nach dem EHEC-Träger und dem Fiasko mit den zu Unrecht verdächtigten spanischen Gurken schien es endlich wieder eine heiße Spur in Deutschland zu geben. Per Indizienkette hatte man sich an einen Bio-Betrieb in der niedersächsischen 6500-Einwohner-Gemeinde Bienenbüttel herangehantelt und dort ein neues Corpus Delicti aufgespürt: Sprossen. | EHEC-Patientin im AKH stabil | Noch kein Abebben im großen Stil | Sprossen haben häufig erhöhte Keimbelastung
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Zu den nachverfolgten Lieferwegen passte es da, dass mehrere Mitarbeiter des Bio-Betriebs im Kreis Uelzen kürzlich Durchfall bekommen hatten und eine von ihnen nachweislich an EHEC erkrankt war.
Am Montagnachmittag kam mit den Ergebnissen der Laboruntersuchungen dann aber die große Enttäuschung. Denn den Testresultaten zufolge sind die ersten 23 in Bienenbüttel gezogenen Sprossenproben EHEC-frei. Eine völlige Rehabilitierung der Sprosse bedeutet das laut den zuständigen Behörden allerdings noch nicht. Die Untersuchungen seien noch nicht abgeschlossen, erklärte ein Sprecher des Landwirtschaftsministerium in Hannover. Und in der Regel verteilen sich die Erreger, die deutschlandweit mittlerweile schon 21 Tote gefordert haben, nicht gleichmäßig auf die einzelnen Produkte eines Betriebes. Den entscheidenden Hinweis könnte nun möglicherweise der Kühlschrankinhalt eines Hamburger EHEC-Patienten liefern. Der mittlerweile wieder genesene 42-Jährige hatte nach seiner Rückkehr aus dem Spital eine mehrere Wochen alte Packung mit Sprossengemüse bei seinen Vorräten entdeckt.
Die aus Bienenbüttel stammende "Milde Mischung" war besonders stark unter Verdacht geraten, weil sie mit mehreren Ausbruchsorten in Verbindung gebracht werden konnte. "Wenn im April EHEC-Keime in der Packung waren, dann sind sie immer noch drin", sagte die Leiterin der Lebensmittelüberwachung im Bezirksamt Eimsbüttel, Marianne Pfeil-Warnke. Wann die ersten entsprechenden Untersuchungsergebnisse vorliegen könnten, war allerdings unklar.
Nur Saatgut und Wasser
Der Geschäftsführer des seit Sonntag gesperrten Hofes Bienenbüttel, Klaus Verbeck, kann sich auf all die Vorwürfe hingegen keinen Reim machen. Die Salatsprossen wüchsen nur aus Saatgut und Wasser und würden überhaupt nicht gedüngt, sagt er gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Auch in anderen Geschäftsbereichen des Hofes werde kein tierischer Dünger verwendet.
Auf die Spur des Betriebs war man vor allem über die Vertriebswege gekommen. Der Hof züchtet Sprossen, die er in Mischungen und einzeln an Reformhäuser und Großhändler, aber auch an einige Einzelkunden vertreibt, die diese auf Wochenmärkten in verschiedenen deutschen Städten verkaufen.
Geliefert wurde aus Bienenbüttel unter anderem über Zwischenhändler an gastronomische Einrichtungen in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Darunter war auch ein Restaurant in Lübeck, wo 17 Menschen an Durchfall erkrankten. Nach Österreich waren laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit keine Produkte gelangt.
Sollten die 17 noch ausständigen Tests oder die Untersuchung der alten Packung aus Hamburg doch noch eine Kontaminierung der Sprossen mit EHEC aufweisen, muss diese aber nicht notwendigerweise in Deutschland erfolgt sein. Laut der "Bild"-Zeitung sind Azuki-Bohnen aus chinesischer Saat als Bestandteil der verdächtigen "Milde Sprossen-Mischung" auf dem Hof verarbeitet worden. Die offiziellen Stellen hatten es nach der verfrühten Gurkenwarnung tunlichst vermieden, andere Länder als Saatgutlieferanten zu nennen.
Möglicherweise wird man aber weder bei den Sprossen aus Bienenbüttel, noch beim Saatgut aus China oder bei irgendeinem anderen Gemüse eine Kontamination mit dem aktuellen EHEC-Erreger nachweisen können. Seit dem Start der EHEC-Epidemie vor gut drei Wochen sind bereits große Warenmengen über den Ladentisch gegangen. "Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die mit dem EHEC-Erreger kontaminierte Ware bereits vollständig verarbeitet und verkauft wurde", hieß es am Montag von den Behörden.