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In Rom konstituiert sich ein neues Parlament. Im Hinblick auf die Regierungsbildung besteht noch Klärungsbedarf.
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Insgesamt 400 Abgeordnete werden im Palazzo Montecitorio, dem Sitz der größeren italienischen Parlamentskammer in Rom, künftig ein und aus gehen, 200 Senatoren sind es im Palazzo Madama, der kleineren der beiden Kammern. Aufgrund einer Wahlrechtsreform hat sich die Anzahl der Delegierten im Vergleich zur letzten Legislaturperiode um mehr als ein Drittel auf insgesamt 600 verringert.
Der Vater und Namensgeber des Rosatellum genannten Wahlrechts, Ettore Rosato, ist es auch, der als Vorsitzender der Abgeordnetenkammer die erste konstituierende Sitzung des neuen Parlaments leitet. Ein Parlament, das im Vergleich zum vorherigen, nicht nur wesentlich kleiner, sondern auch älter und männerdominierter ist.
Waren Mitglieder der Abgeordnetenkammer 2018 durchschnittlich 44 Jahre und jene des Senats 52 Jahre alt und das Parlament somit jung wie nie zuvor, so sind sie nun 49 und respektive 56 Jahre alt. Die durchschnittlich jüngsten Parlamentarier wurden in den Reihen der Fünf-Sterne-Bewegung und der Zentristen von Azione/Italia Viva gewählt.
Viele Fragezeichen
Beide Parteien weisen zudem die mit Abstand höchste Frauenquote (mehr als 46 Prozent) aller im Parlament vertretenen Kräfte auf. Die Lage in Sachen Geschlechterparität war bereits in den vergangenen Legislaturperioden ausbaufähig, doch mit der Wahl am 25. September sank der Anteil von weiblichen Repräsentantinnen im Vergleich zur Parlamentswahl 2018.
Mehr als zwei Drittel aller Abgeordneten (67 Prozent) und Senatoren (66 Prozent) des neugewählten Parlaments sind Männer. Besonders die Parteien des siegreichen rechten Bündnisses aus Fratelli d’Italia (FdI), Lega und Forza Italia (FI) tun sich mit einem besonders hohen Anteil männlich gewählter Abgeordneter hervor. In Silvio Berlusconis FI sind beinahe drei von vier Gewählten Männer (73 Prozent), bei FdI und Lega sind es fast 70 Prozent.
Doch an den demographischen Kennzahlen liegt es nicht, dass für das rechte Bündnis bereits die ersten Tage der neuen Legislaturperiode zur Zerreißprobe werden könnten. FdI-Chefin Giorgia Meloni erhebt als große Wahlgewinnerin nicht nur Anspruch auf das Amt der Ministerpräsidentin, sondern will auch bei der Besetzung der restlichen Regierungsämter den Ton mitangeben und verspricht, "die politischste Regierung jemals" auf die Beine zu stellen.
Während es sehr wahrscheinlich ist, dass Staatspräsident Sergio Mattarella in den kommenden Tagen Meloni tatsächlich als Ministerpräsidentin nominieren wird, kreisen um die Ernennung der Minister und anderer wichtiger Posten noch viele Fragezeichen. Die Parteichefs und Sherpas, wie die Unterhändler der Parteien genannt werden, feilschen seit Wochen über die Mannschaftsaufstellung der künftigen Regierung.
Unter ihnen sind Schwergewichte der italienischen Politik, wie etwa FdI-Mitbegründer Ignazio La Russa oder der Lega-Exponent und ehemalige Minister Roberto Calderoli. Ihnen gemein ist mit 1992 nicht nur der Zeitpunkt des erstmaligen Eintritts in das Parlament, sie beide liebäugelten mit dem prestigeträchtigen Vorsitz des Senats, verhandelten also über ihre eigene politische Zukunft.
Molinari Favorit
Seitens der Lega wurden Forderungen laut, entweder den Präsidenten des Senats oder aber den Posten des Innenministers für sich beanspruchen zu dürfen. Das Innenministerium am Viminal scheint - zumindest für Matteo Salvini, der das Amt bereits nach der Parlamentswahl 2018 innehatte - außer Reichweite. Wahrscheinlicher ist eine Ernennung als Infrastrukturminister.
Zumindest für die Besetzung des Präsidentenamtes der Abgeordnetenkammer dürfte indes der Fraktionschef der Lega Riccardo Molinari als Favorit gelten. Feststeht jedenfalls, dass sich die rechte Koalition, entgegen gängiger politischer Tradition, der Opposition die Präsidentschaft in einer der beiden Parlamentskammern zu überlassen, beide Kammervorsitze schnappen dürfte.
Über die Vorsitze der Kammern wird in den Sitzungen am Donnerstag in einer geheimen Abstimmung entschieden. In der Abgeordnetenkammer bedarf es im ersten Wahlgang einer Zwei-Drittel-Mehrheit aller 400 Abgeordneten, im Senat lediglich eine absolute Mehrheit der 200 Senatoren.
Gut möglich, dass bereits am Freitag eine Entscheidung herbeigeführt wird. Erst nach der Wahl der Parlamentspräsidenten startet Staatsoberhaupt Mattarella die Konsultationen über die Bildung der neuen Regierung. Dafür stehen Treffen mit den Präsidenten der Kammern, den Parteivorsitzenden und möglicherweise auch den Vorsitzenden der Parlamentsfraktionen auf dem Plan. Wird Meloni wie erwartet als Regierungschefin auserkoren, gilt es dem Staatspräsidenten auch die Liste der möglichen Kabinettsmitglieder vorzulegen. Meloni hatte zuletzt betont, keine Zeit verlieren zu wollen. Bis zum 24. Oktober soll ihr Kabinett stehen.
Ihrer Partei wird jedoch ein Mangel an renommierten Politiker attestiert und so will die Römerin auch parteiunabhängige Fachleute in die Regierung aufnehmen. Längst nicht alle erklärten sich jedoch bereit, einer Rechtsregierung unter Melonis Führung beizutreten, wie etwa das EZB-Mitglied Fabio Panetta.
Reine Befehlsempfängerin
Einen Zankapfel soll auch die Berlusconi-Getreue Licia Ronzulli darstellen. Vom Medienmogul und ehemaligen Premier als Gesundheitsministerin gewollt, werde die selbsternannte "Soldatin zu Diensten ihres Präsidenten" jedoch von der zukünftigen Premierministerin als ungeeignet für die Führung eines Schlüsselressorts erachtet.
Im wichtigen Wirtschafts- und Finanzressort zeichnet sich indes eine Entscheidung ab. Dort könnte Giancarlo Giorgetti (Lega) die Leitung übernehmen, der bereits im Kabinett Draghi Minister für wirtschaftliche Entwicklung war. Auch für den ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments Antonio Tajani ist ein Regierungsamt so gut wie gewiss. Unklar bleibt vorerst, welches. Seine Partei FI will ihn an der Spitze des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung hieven, Meloni aber hat für ihn das Außenministerium vorgesehen.