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Alternative Fotowahrheit

Von Edwin Baumgartner

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Da regen sich alle auf über Fake News und sogenannte alternative Wahrheiten, aber viele der Empörten machen’s selbst. Nur erfinden sie nicht Golfplatzmassaker oder Reportagen über dumpfe Trump-Fans. Sie rücken der Wahrheit auf andere Weise zu Leibe: Sie schönen ihre Porträtfotos in den sozialen Medien.

Der britische Fotograf Rankin hat 15 weibliche Teenager im Alter von 13 bis 19 Jahren fotografiert und sie dann aufgefordert, ihre Fotos so zu bearbeiten, dass sie social-media-tauglich aussehen. Um den Posting-Stress zu simulieren, bekamen die Mädchen und jungen Frauen dafür nur fünf Minuten Zeit. Das Ergebnis: Verschlankte Gesichter, korrigierte Nasen und Lippen, wegretuschierte Sommersprossen und Pigmentfleckchen und und und. Keine Einzige hat ihr Foto unbearbeitet gelassen.

Rankin greift vor allem die immer einfacher zu handhabenden Bildbearbeitungsprogramme an. Die eigentliche Katastrophe freilich ist eine andere, nämlich der inhaltsleere Schönheitswahn, in dem die Menschen modischen Aussehensvorgaben unüberprüft folgen. Rankin hat für seinen Test weibliche Teenager ausgesucht - er bekäme unwesentlich andere Resultate, würde er Testpersonen beiderlei Geschlechts aller Altersgruppen untersuchen. Die Fotos in den sozialen Medien entsprechen nur zu oft dem Bild, das man von sich vermitteln will und nicht dem Bild, das man abgibt. Schönheit freilich liegt immer noch im Auge des Betrachters. Und das gleitet über allzu geglättete Gesichter oft auch nur flüchtig hinweg.