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Der bis 2050 vereinbarte Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zwingt Österreich in Richtung Alternativ-Energien. Umdenken ist aber Grundvoraussetzung.
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Österreich muss bis 2050 den Energieverbrauch halbieren. Eine vollständige Dekarbonisierung ist vereinbartes Ziel aller EU-Länder. Wir sind beim Mülltrennen Musterschüler - in puncto Alternativ-Energien aber Schlusslicht im Klimaschutz-Ranking. 2017 stammten in Österreich rund 26 Prozent der Stromproduktion aus fossilen Energien, 57 aus Wasserkraft, neun Prozent aus Windkraft, fünf aus Biomasse, zwei Prozent aus Photovoltaik und ein Prozent aus Biogas. Die Umrüstung der mehr als 600.000 Ölheizungen und eine Offensive für umfassende Gebäudesanierungen stehen auf der Agenda.
Als alternative Energiequellen gelten Photovoltaik, Windkraft, Wasserkraft und Wärmepumpen. Brennstoffzellen zählen zu erneuerbaren Energiequellen, welche Energie in Strom umwandeln und eine netzunabhängige Energieversorgung ermöglichen. Bei Häusern, die mit Wärme und Strom aus Brennstoffzellen versorgt werden, spricht man von einer Mikro-Kraft-Wärme-Kopplung.
In Japan gibt es rund 200.000 Gebäude, die mit der Brennstoffzellen-Technologie ausgestattet sind. Brennstoffzellen können auch für Elektrogeräte genützt werden und für Kleinfahrzeuge wie Stapler, Traktoren oder Hubwagen. Bei Satelliten und Raumkapseln wurden sie bereits erfolgreich eingesetzt.
Photovoltaik nützt Sonnen-Energie zur Stromgewinnung, Solarthermie gewinnt mit Sonnenkollektoren Wärme. Vorteil der Sonnenenergie ist, dass sie auch gespeichert werden kann. Ihr Potenzial ist gewaltig - insgesamt liefert die Sonne pro Jahr die 10.000-fache Energiemenge des Weltenergiebedarfs. Die weltweit installierte Leistung an Sonnen- und Windenergie hat im ersten Halbjahr 2018 eine Billion Watt überschritten (1.000 Gigawatt). Dies entspricht dem 250-Fachen der in Österreich installierten Leistung von rund vier Gigawatt. Die Analysen der Branchenexperten von Bloomberg New Energy Finance zeigen, dass rund 90 Prozent dieser Leistung in den vergangenen zehn Jahren hinzugekommen sind. Weltweit sind Wind- und Sonnenenergie bereits heute günstiger als Energie aus neuen fossilen und nuklearen Kraftwerken. Bloomberg rechnet damit, dass die nächste Billion bereits 2023 erreicht wird.
Knapp 40 Prozent der Wind- und rund 60 Prozent der Sonnenenergie sind in Asien installiert. "Im aktuellen Bericht zeigt Bloomberg New Energy Finance, dass wir die Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels schon in der Hand haben", erklärt Florian Maringer, Geschäftsführer des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich, EEÖ. Energie aus neu errichteten fossilen und nuklearen Kraftwerken ist bereits heute teurer als viele erneuerbare Energien. Daher werden sie künftig den Löwenanteil neu installierter Erzeugungsleistung stemmen.
2017 wurde doppelt so viel in erneuerbare Stromerzeugung investiert als in die fossile. Aktuell sind 54 Prozent der weltweiten 1.013 Gigawatt installierter Leistung aus Wind- und 46 Prozent aus Sonnenenergie. 97 Prozent der Windenergie kommt vom Festland. Prognosen gehen davon aus, dass Solar und Wind 2023 die nächste Billion Watt erreichen und Sonnenenergie einen größeren Anteil haben wird. Europa hinkt der Entwicklung hinterher. Ein Großteil der Leistung ist in Asien installiert und somit auch ein Industrievorteil.
Mehr Wettbewerbsfähigkeit
"Europa benötigt die Energiewende nicht nur wegen des Umweltschutzes, es geht um Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit. Die Industrie braucht ein Signal und europäische Partner, um die Energiewende voranzubringen", so Maringer. "Deutschland oder Dänemark zeigen, wie es funktioniert. Natürlich bremsen und blockieren Vertreter der hochsubventionierten fossilen Wirtschaft."
Die globale Wende zu erneuerbaren Energien bildet eine Chance für technologisch fortgeschrittene Länder wie Österreich. "Während der EU-Ratspräsidentschaft besteht die Möglichkeit diese zu nutzen. Österreich ist nicht nur verantwortlich für ein neues Design veralteter fossiler Strommärkte. Es sitzt auch am Tisch für ein langfristiges EU-Budget, Klima- und Energiepläne bis 2050 und muss Pläne und auch ein neues Energiegesetz vorlegen. Letzteres muss gewährleisten, dass das Ziel 100 Prozent erneuerbarer Stromerzeugung bis 2030 erreicht wird und Österreich am globalen Trend teilnimmt."
Kluge Planungen zeigen, dass Sonne, Wind und Speicherfähigkeit von Baumaterialien einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. In der Mühlgrundgasse in Wien errichtet der gemeinnützige Wohnbauträger "Neues Leben" in Kooperation mit dem Immobilienentwickler "M2plus Immobilien GmbH" eine Anlage mit 155 Wohnungen. Das Besondere daran: Hier wird erstmals Thermische Bauteilaktivierung zum Heizen und Kühlen mit Windenergie im sozialen Wohnbau eingesetzt. Die Technologie ist einfach: Der Beton wird über eingebaute Rohrsysteme aktiviert, in denen je nach Erfordernis Warm- oder Kaltwasser fließt.
"Die Wohnungen werden mit Erdwärme geheizt und im Sommer auch gekühlt, die Wärmepumpe wird mit Überschuss-Windstrom betrieben. Für eine 70 bis 80 Quadratmeter große Wohnung sollte die Jahresrechnung für Heizung, Kühlung und Warmwasser unter 300 Euro betragen, solche niedrigen Energiekosten unterstützen leistbares Wohnen. Dieses Projekt wird keinesfalls ein Einzelfall bleiben", ist Johann Gruber, Obmann vom Bauträger "Neues Leben", überzeugt.
Projektpartner und Projektentwickler Norbert Mayr, Geschäftsführer von "M2plus", hatte die Idee, Überschuss-Windenergie im Beton zu speichern und den Kontakt mit Energieplaner Harald Kuster hergestellt. Kuster, kürzlich mit dem Energy Globe 2018 Salzburg für Leistungen betreffend die Bauteilaktivierung ausgezeichnet, ist mit seinem Unternehmen "FIN - Future is now" für die Planung des Systems verantwortlich: "Das Projekt MGG22 trägt dazu bei, dass wir die notwendigen vorhandenen Betonbauteile eines Gebäudes mit einer einfachen Lösung sinnvoll als Speichermasse nutzen können. Hinzu kommt, dass wir erneuerbare Energie verwenden, wenn sie im ‚Überfluss‘ vorhanden ist." Musterbeispiele für Gebäude mit alternativen Energiequellen gibt es - wie das neue Gebäude der TU Wien am Getreidemarkt.