Die Regierung setzt auf ein Programm zur Rettung der Gemeinden, das vor Jahren schon einmal gut funktionierte. Die Krise heute ist jedoch eine andere, und deshalb sind auch die Bedürfnisse anders gelagert.
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In einer Zeit, in der sich jeden Tag unzählige Löcher auftun und jedes halbwegs gelöste Problem zwei neue Probleme nach sich zieht, ist es praktisch, auf altbewährte Rezepte zurückgreifen zu können. So muss man sich in etwa das Hilfspaket für die Gemeinden vorstellen, das die Regierung am Montag präsentierte. Eine Milliarde Euro ist es schwer.
Als Schablone diente ein Programm, das die damalige rot-schwarze Regierung im Jahr 2017 aufgelegt hatte und Investitionen der Kommunen anreizen sollte. Zu jener Zeit erholte sich die Wirtschaft zu langsam vom Schock der Finanzkrise, die Konjunktur schwächelte über mehrere Jahre. Die Regierung stellte damals 175 Millionen Euro für neue Investitionen zur Verfügung, die mit 25 Prozent gefördert wurden.
So ähnlich soll es auch diesmal sein, allerdings sind die Zahlen andere. Statt 175 Millionen Euro wird es eine Milliarde Euro sein, und eingereichte Projekte werden nicht nur zu einem Viertel, sondern gleich zur Hälfte vom Bund finanziert. Anders als damals müssen es auch keine neuen Projekte sein, es können auch solche sein, bei denen die Finanzierung schon steht. Die Gemeinden können also bereits verplante Mittel wieder frei machen.
"Wir wollen die Wirtschaft durch regionale Investitionen beleben", sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Er nannte als Beispiele Bau und Sanierung von Kindergärten, Schulen, Senioreneinrichtungen sowie den Breitbandausbau. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) verwies auf Vorhaben im Bereich der Klimawende.
Die Frage ist aber, ob dieses Hilfsprogramm auch die Bedürfnisse decken wird. Und zwar nicht nur hinsichtlich der monetären Größenordnung, denn die könnte man in ein paar Monaten auch korrigieren. Entscheidender ist, ob die Schablone von 2017 in dieser speziellen Krisensituation überhaupt passt und ob mit dieser Milliarde auch nachhaltige Investitionen ausgelöst werden.
Dass Gemeinden wichtige Multiplikatoren sind, ist unstrittig. Sie sind der größte öffentliche Investor, daher ist es verständlich, dass die Regierung hier Anreize setzen will. Wird irgendwo ein Kindergarten gebaut, sind es auch meist lokale Betriebe, die davon profitieren. Dadurch ergibt sich eine Wertschöpfungskette bis zum lokalen Bäcker, der für die Baustelle die Wurstsemmeln liefert. Von den damals aufgelegten 175 wurden 137,3 Millionen Euro abgerufen. Das Gesamtinvestitionsvolumen aller Projekte zusammen belief sich laut Finanzministerium auf rund 1,6 Milliarden Euro. Das war doppelt so viel als erwartet. Auch wenn eine echte Evaluierung fehlt, deutet es auf eine erfolgreiche Maßnahme hin.
Den Gemeinden brechen Steuereinnahmen weg
Die jetzige Krise ist jedoch eine andere. Dem Bund werden viele Steuereinnahmen wegbrechen, von denen ein Teil in Form von Ertragsanteilen an die Gemeinden weiterfließt. Im Vorjahr waren es rund 11 Milliarden Euro, heuer wird es einen großen Einbruch geben, wie groß, hängt vom weiteren Verlauf der Pandemie ab.
Da die Gemeinden in den vergangenen Jahren immer mehr Aufgaben übernahmen, sind sie mit ihren laufenden Ausgaben schon gut ausgelastet. "Es wird sich bei vielen nicht ausgehen", sagt Karoline Mitterer vom Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ). Sie rechnet damit, dass ein Großteil heuer nicht positiv bilanzieren wird. Zwar haben die Landtage den Gemeinden vor Wochen schon quasi den Überziehungsrahmen erhöht, um kurzfristig für Liquidität zu sorgen, doch die Krise könnte von Dauer sein. Und damit auch das Liquiditätsproblem: "Der erste Schritt fehlt mir total", sagt Mitterer.
Wenn Gemeinden gar nichts mehr überbleibt, dass investiert werden kann, läuft diese Förderung auch ins Leere. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, der auch Präsident des Städtebunds ist, will einen Teil der kommunalen Hilfsgelder auch für den laufenden Betrieb, "damit diese Gemeinden auch in die Lage versetzt werden, um zu investieren". Quasi als Ersatz für den Entfall von Ertragsanteilen. Die große Unsicherheit der nahen Zukunft ist ein weiterer Investitionshemmschuh. Fragt sich, was größer ist: Anreiz oder Hemmschuh?
Während einige Gemeinden zu einem Großteil von Ertragsanteilen abhängig sind, verfügen andere über Kommunalsteuereinnahmen, das sind vor allem Städte, zentrale Orte und Tourismusgemeinden. Sie waren bisher oft in einer finanziell guten Lage, sie tätigen auch laufend Investitionen und müssen entsprechend auch Kredite bedienen. Doch gerade in den Tourismusregionen, anderseits aber auch in Städten könnte der Einbruch bei der Kommunalsteuer enorm sein. Auch dafür bietet das Hilfsprogramm vorerst keine Antworten. "Es bräuchte auch andere Mittel dafür", sagt der Ökonom Simon Loretz vom Wifo. Er nennt als Beispiel Haftungsübernahmen des Bundes oder Überbrückungskredite.
Ein weiterer Aspekt ist, ob die Regierung mit ihrem Paket nicht auch eine Chance verabsäumt, stärkere Akzente für die notwendige Klimawende zu setzen. Unterschiedliche Fördersätze wären dafür ein Mittel, um zum Beispiel die thermische Sanierung einer Schule mehr anzureizen als einen neuen Straßenbelag. Darauf hat der Bund verzichtet.