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Alzheimer im Blut erkennbar

Von Alexandra Grass

Wissen
© whitehoune - stock.adobe.com

Schon 16 Jahre, bevor Symptome auftreten, finden sich auffällige Veränderungen.


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Tübingen/Wien. Erinnerungslücken, Orientierungslosigkeit, Verwirrung - das sind nur einige Symptome, die das Leben von Menschen mit Alzheimer-Demenz prägen. Krankhaft veränderte Tau-Proteine sowie Ablagerungen von veränderten Eiweiß-Bruchstücken - sogenannten Amyloid-beta-Plaques - im Gehirn führen zu Funktionsstörungen und zum Tod von Nervenzellen und sind Auslöser für derartige Krankheitszeichen. Sterben die Zellen ab, lagern sich bestimmte Proteine im Blut ab. Ein relativ einfacher Bluttest macht diese auffindbar - und das immerhin schon 16 Jahre, bevor erste Symptome auftreten, berichtet nun ein internationales Forscherteam im Fachblatt "Nature Medicine".

An Morbus Alzheimer sind in Österreich geschätzte 100.000 Menschen erkrankt. Im Jahr 2050 könnten es Schätzungen zufolge mehr als doppelt so viele sein. Medikamentöse Therapien, die in das Krankheitsgeschehen eingreifen und das Auftreten von Beschwerden verzögern oder verhindern, gibt es nicht. Allerdings wird an Antikörpern geforscht, die in der Lage sein könnten, die beeinträchtigenden Plaques aufzulösen. Einmal abgestorbene Nervenzellen können nicht wieder hergestellt werden.

Die frühe Diagnose

Eine frühe Diagnosestellung ist dennoch wichtig, da bei frühzeitigem Behandlungsbeginn zumindest die Leistungsfähigkeit des Gehirns länger erhalten bleiben kann. Damit können der Verlauf der Erkrankung verlangsamt und die Symptome gemildert werden.

Die Forscher um Mathias Jucker vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen in Tübingen sind nun auf einen Marker im Blut gestoßen, der in der Früherkennung künftig eine große Rolle spielen könnte. "Der Grund, warum es bisher noch keine effektiven Therapien gegen Alzheimer gibt, ist, weil die derzeit üblichen Behandlungen einfach zu spät starten", betont Jucker. Der neue Bluttest könnte hier Abhilfe schaffen.

Die meisten bisherigen Tests basieren auf den sogenannten Amyloid-Proteinen. Sie sind nicht nur im Gehirn, sondern auch im Blut nachweisbar. "Unser Test sucht allerdings nicht nach den Amyloiden selbst, sondern danach, was diese im Gehirn verursachen - nämlich die Neurodegeneration. In anderen Worten: Wir schauen uns den Tod der Nervenzellen an", so der Wissenschafter.

Er hält Ausschau nach sogenannten Neurofilamenten - sie sind ein Baustein von Nervenzellen. Diese Neurofilamente finden sich schon lange vor Auftreten der ersten Symptome im Blut und haben einen hohen Aussagewert über die künftige Entwicklung der Erkrankung, heißt es in der Studie.

Auffällige Veränderungen

Die Forscher sammelten Daten von 405 Personen, die Teilnehmer des "Dominantly Inherited Alzheimer Network" sind. Dieses Netzwerk erforscht Familien, wo die Alzheimer-Erkrankung über Generationen schon im mittleren Alter auftritt. Genetische Analysen zeigen, wann und ob ein Familienmitglied eine Demenz entwickeln wird. Die Forscher um Jucker untersuchten jährlich die Konzentration von Neurofilamenten im Blut dieser Probanden. Schon 16 Jahre, bevor erste Symptome auftreten, finden sich demnach auffällige Veränderungen im Blut. "Es geht nicht um die absolute Konzentration dieser Bausteine, sondern ihre Entwicklung. Das erlaubt uns, Vorhersagen über den weiteren Verlauf der Erkrankung zu treffen", so Jucker.

Neurofilamente häufen sich allerdings nicht nur bei Morbus Alzheimer im Blut an, sondern auch im Falle von anderen neurodegenerativen Erkrankungen, schreiben die Forscher. In Zukunft könnten demnach auch Leiden wie Multiple Sklerose, Schlaganfall oder Schädel-Hirn-Traumen im Blut feststellbar sein. Derzeit konzentrieren sich die Wissenschafter allerdings noch auf Alzheimer. Der Test könnte zu einem wichtigen Instrument für die weitere Suche nach neuen Therapien sein, betont der Wissenschafter.