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Am 2. November droht Fotofinish wie vor vier Jahren

Von Michael Anheier

Politik

Mit einem klaren 3:0 in die letzten Spielminuten - das ist nur im Fußball eine relativ sichere Angelegenheit: John Kerry hat - von republikanischen Wahlkampfmanagern einmal abgesehen - nach einmütigen Analysen die drei TV-Debatten gegen George W. Bush in nicht mehr für möglich gehaltenem Ausmaß dazu genützt, ein scheinbar bereits verlorenes Match noch umzudrehen. Aber aller Tage Abend ist erst in gut zwei Wochen, wenn am 2. November knapp 210 Millionen wahlberechtigter US-Bürger ihren neuen Präsidenten küren.


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Besser gesagt, wenn sie nach einem Modus aus dem späten 18. Jahrhundert jene 538 Mitglieder eines Wahlkollegiums bestimmen, die dann sechs Wochen später über den neuen Präsidenten entscheiden. Und alles deutet auf ein ähnliches Fotofinish hin, wie es vor vier Jahren in ein beispielloses Wahlchaos und letztlich zur höchstrichterlichen Entscheidung für Bush gemündet hatte.

Gewählt werden am 2. November auch sämtliche 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses, ein Drittel des Senats und Gouverneure von elf US-Staaten. In beiden Kammern des Kongresses halten Bushs Republikaner die Mehrheit und werden sie vermutlich auch behalten. Darüber hinaus können die Wähler quer über das gesamte Land auch über die Zusammensetzung von Regionalparlamenten, Bezirks- und Stadträten sowie über die Besetzung von öffentlichen Ämtern wie jenen von Bürgermeistern, Richtern und Staatsanwälten entscheiden.

Letztlich verblassen all diese Urnengänge aber gegenüber dem Rennen ums Weiße Haus. Und der Senator aus Massachusetts hat dieses Rennen wieder spannend gemacht. Kerrys Berater Joe Lockhart hatte schon vor der letzten TV-Debatte gemeint, man könne sich an keinen Fall erinnern, "dass der Amtsinhaber drei aufeinander folgende Debatten nach Meinung der Öffentlichkeit verloren und dann noch gewonnen hat".

Nur: Selbst die imposanten 60 Millionen, die die medialen Duelle verfolgt habe, bilden gerade einmal ein Fünftel der Bevölkerung. Und in nahezu allen Meinungsumfragen liegen Bush und Kerry so nahe beieinander, dass ihr Abstand sich innerhalb der statistischen Schwankungsbreite bewegt.

Also werden die letzten Tage des Wahlkampfes wieder auf dem "Schlachtfeld" geführt werden: In den so genannten "battleground states", in denen für beide Kandidaten noch alles drin ist.

Das kostet vor allem Geld, viel Geld. Woran es mittlerweile auch John Kerry nicht mehr mangelt: Sah sich der Herausforderer lange Zeit einem in unerreichbaren pekuniären Höhen schwebenden Bush gegenüber, "sog" Kerry seit seiner Nominierung zum demokratischen Kandidaten Spendengelder in einem derartigen Ausmaß auf, dass er nach den beim "Federal Election Comittee" verpflichtend abzugebenden Statusmeldungen George Bush Ende August bei weitem überflügelt hatte: Satte 325 Millionen Dollar (264 Mill. Euro) gegenüber "nur" 267 Millionen seines Gegners wies Kerrys Konto da auf. Zum Vergleich: Beim letzten Wahlgang kamen Bush und Al Gore gerade gemeinsam an die nun von Kerry alleine angehäuften Dollarberge heran und das erst am Ende des Wahlkampfes. APA

Hochspannung um Referendum in Colorado

Spannung herrscht heuer um einen vorgeschlagenen Verfassungszusatz im Bundesstaat Colorado: Laut dem "Amendment 36" sollen die neun Wahlmännerstimmen des Bundesstaats nicht alle an den Sieger fallen, sondern proportional zwischen den Kandidaten aufgeteilt werden. Bei einem knappen Ergebnis würden dann fünf Stimmen auf den Sieger und vier Stimmen auf den Verlierer entfallen. Wäre dieses proportionale System im Jahr 2000 in

Colorado in Kraft gewesen, hätte Al Gore die Präsidentschaftswahlen gewonnen und George W. Bush geschlagen Gore hätte damals drei Wahlmänner in Colorado bekommen und wäre damit mir 269 um einen Elektor vor Bush gelegen.