Der Nationalrat hat vergangene Woche mit den Stimmen der Regierungsparteien Änderungen im Mietrechts- und Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (MRG/WGG) beschlossen, mit denen das Wohnrecht weiter dereguliert wird und Maßnahmen zur Stützung der schwachen Baukonjunktur eingeleitet werden könnten. Unter anderem sehen die Änderungen vor, Mietverhältnisse in Ein- und Zweifamilienhäusern aus dem Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes auszunehmen. Weiters sollen ausgebaute Dachböden künftig frei vermietet werden können, der Kündigungsschutz bleibt allerdings weiter bestehen. Allein in Wien könnte das heißen, dass in den nächsten Jahren bis zu 15.000 Dachbodenwohnungen auf den Markt kommen werden. Bei den Mieten sind die Grenzen nach oben hin wahrscheinlich offen, denn gerade Dachböden sind innerstädtisch zurzeit besonders "in".
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Der Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) wurde in der aktuellen Novelle in wesentlichen Punkten geändert. Die markanteste Neuerung gilt für Rohdachböden, die ausgebaut werden sollen, und Dachböden mit einer Baubewilligung nach dem 31. Dezember 2001. Künftig wird "am Dach" das MRG nur noch teilweise wirksam sein.
Für Mieter und Vermieter hat dies weitreichende Folgen. Mieter, die in eine Dachbodenwohnung investiert haben, laufen nun nicht mehr Gefahr, von einem Nachmieter auf vollständige oder teilweise Rückgabe von Ablösen geklagt werden zu können.
Für die Teilanwendung des MRG gelten nämlich nicht die § 10 und § 27 MRG, welche die Investitionsablösen regeln. Einschränkung für Ablösen werden künftig mit den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (Wucher, laesio enormis) definiert. D.h., solange nicht die Grenze des Wuchers erreicht wird, nämlich z. B. das Doppelte oder die Verkürzung auf die Hälfte, sprich die Wohnung unter dem tatsächlichen "Hälftewert" angeboten wird, ist nun ein Verkauf (Kauf) in dieser Bandbreite - nach gegenseitiger Vereinbarung - möglich.
Auch ist die Mietzinsbeschränkung nach dem MRG aufgehoben. Weiterhin wirksam bleibt jedoch der Kündigungsschutz des Mietrechtsgesetzes.
"Die Novelle erhöht die Bereitschaft von Mietern, Dachböden auszubauen, weil sie nicht mehr um ihre Investitionen fürchten müssen", hält Anton Holzapfel, Geschäftsführer des Österreichischen Verbandes der Immobilientreuhänder, dazu fest. Damit wird auch, so Holzapfel, der Wohnungsmarkt um attraktive Objekte bereichert und die Bauwirtschaft unterstützt.
Hausbesitzer könnten Dachböden für neue Nutzer öffnen
Hausbesitzer werden durch die Novelle angeregt, leerstehende Dachböden für eine Neunutzung zu öffnen.
Jene Hausbesitzer, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen oder ihr Eigentum nicht stückweise abverkaufen wollen, finden nun eine neue Klientel für den brachliegenden Wohnraum über der Traufenkante.
"Allein im Wiener Raum könnten bis zu 15.000 Dachböden ausgebaut und dem Markt zugeführt werden", meint auch der Innungsmeister der Immobilien- und Vermögenstreuhänder, Gerhard Steller dazu.
Bisher hätten die meisten Dachböden nur als "Kategorie D"-Wohnungen vermietet werden können, was dazu geführt habe, dass der Ausbau des Daches gar nicht in Angriff genommen worden sei.
"Die Zahl der Dachbodenausbauten sei von der bestehenden Nachfrage abhängig. Und diese werde wiederum von anderen Faktoren als dem Mietpreis - beispielsweise von der Lage - bestimmt", meint hingegen AK-Wohnrechtsexperte Franz Köppl und bezweifelt die Konjunkturwirksamkeit der Maßnahmen in der Wohnrechtsnovelle. "Denn die meisten Dachbodenwohnungen werden bereits jetzt außerhalb des MRG vermietet", so Köppl.
Für den Wiener Landtagsabgeordneten und stellvertretenden Vorsitzenden des Wohnbauausschusses im Wiener Gemeinderat, Landtagsabgeordneter Kurt Stürzenbecher bedeutet die Neuregelung bei den Dachbodenausbauten, "dass Mietverhältnisse in ab 2002 ausgebauten Dachböden fast völlig aus dem Mietrechtsgesetz herausfallen und praktisch nur noch der Kündigungsschutz bei unbefristeten Verträgen aufrecht bleibt. Die Mieter von Dachbödenausbauten werden dadurch künftig in einer sehr schlechten rechtlichen Situation sein."
Kein MRG mehr für Ein- und Zweifamilienhäuser
Vollkommen aus dem Geltungsbereich des MRG wurden Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten in Ein- und Zweifamilienhäusern genommen. Schon bisher waren die Mietverhältnisse in Ein- und Zweifamilienhäusern - etwa bei der Preisbildung - aus dem Geltungsbereich des MRG ausgenommen.
Die nunmehrige Regelung beseitigt die Geltung des MRG auch beim Kündigungsschutz und bei den Befristungsregeln.
Auch Häuser mit nicht mehr als zwei Geschäftsräumlichkeiten bzw. mit einer Wohnung und einem Geschäft wurden aus dem MRG ausgenommen. Diese Neuregelung stieß auf heftige Einwände der Opposition. Die Regierung höhle den Mieterschutz aus, kritisieren SPÖ, Grüne und Arbeiterkammer. Die Grüne Abgeordnete Gabriela Moser bemängelt etwa, dass durch einen Eingriff in bestehendes Recht Unsicherheit geschaffen werde. Insgesamt hätte man, meinte sie "viel grundsätzlicher ansetzen müssen".
Reinvestitionsfrist für Gemeinnützige verkürzt
In der Novelle zum Wohnnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) werden die Gemeinnützigen dazu verpflichtet, ihr Reservekapital binnen drei statt wie bisher binnen fünf Jahren zu investieren, widrigenfalls steuerliche Nachteile drohen. Wirtschaftsminister Martin Bartenstein erhofft sich aus dieser Regelung, dass die schnellere Reinvestition von Reservekapital einen zusätzlichen Investitionsschub von 3 bis 6 Mrd. Schilling jährlich erwarten lasse.
AK-Wohnrechtsexperte Franz Köppl sieht "kaum günstige Auswirkungen auf die Baukonjunktur" durch die Verkürzung der Reinvestitionsfrist für das Reservekapital der Gemeinnützigen.
"Dies werde bei den Genossenschaften eher zur Ersetzung von Fremdkapital durch Eigenkapital führen, aber keine zusätzlichen Investitionen schaffen", meint Köppl.
"Normativer Erwerb" von Wohnungseigentum
Weiters wird der Erwerb von gemeinnützigen Wohnungen durch die Mieter auf eine "einheitliche normative Basis gestellt".
Von der ursprünglich geplanten Öffnung gemeinnütziger Gesellschaften (bzw. von deren Tochterunternehmen) für private Investoren sind die Wohnrechtsverhandler der Koalitionsparteien ÖVP und FPÖ mittlerweile wieder abgerückt.
Die Neuregelung ermögliche "eine möglichst breite Eigentumsbildung", erklärt dazu VP-Bautensprecher Walter Tancsits. "Dadurch werden klare Spielregeln für die nachträgliche Wohnungseigentumsbegründung aus der Wohngemeinnützigkeit heraus geschaffen. Nach klaren Bedingungen wird man schneller, unkomplizierter und billiger Eigentum erwerben können", so Tancsits.
Die Arbeiterkammer sieht in den Änderungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes hingegen eine Verschlechterung bei den Bedingungen für Mieter gemeinnütziger Wohnungen, die diese im Eigentum erwerben wollten. "Die grundsätzliche Möglichkeit dafür besteht ja bereits seit 1994. Gleichzeitig verschlechterten sich aber die Preisbestimmungen für diese Verkäufe wesentlich - indem es für die Mieter-Käufer künftig keinen Abschlag auf den Wohnungspreis mehr geben werde", so Köppl.
Die Oppositionsparteien sehen in den neuen Bestimmungen ebenfalls "massive Verschlechterungen".
"Es werde Mietern erschwert, Eigentümer ihrer Wohnung zu werden", meint etwa SP-Abgeordnete Doris Bures dazu.
Weitere Novellen im MRG und WGG
Mit der Novelle zum MRG wird auch der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag (EVB) Teil des Mietzinses. Die Neuregelung trägt dazu bei, dem Mieter eine transparente Darstellung über seine Kosten zu bringen.
Festgelegt wurde auch eine steuerliche Änderung, durch die Rückflüsse aus Wohnbaudarlehen künftig auch für die Sanierung von Wohnungen und öffentlichen Gebäuden eingesetzt werden können. Zur Zeit dürfen diese Mittel nur für die Errichtung von geförderten Miet- und Eigentumswohnungen verwendet werden.
Schließlich wird auch noch "sozialpädgogisch betreutes Wohnen" von karitativen Organisationen aus dem MRG ausgenommen, um diesen eine größere Flexibilität bei der Befristung der Verträge zu ermöglichen.
Ankurbelung der Konjunktur - Bausektor beleben
Der Gesetzgeber rechnet unter Berufung auf Expertenmeinungen durch die zuvor angeführten Maßnahmen mit einem zusätzlichen Bauvolumen von 10 Mrd. Schilling (727 Mill. Euro). Dass letzteres der Fall sein wird, bezweifelte die Opposition jedoch.
Für die Regierungsparteien ist der eingeschlagene Weg der Deregulierung richtig, das zeige sich daran, dass die Mietkosten gesunken seien. Durch die bisherigen Maßnahmen "wurden die Steigerungen in bisher nicht dagewesenem Ausmaß gedämpft", meint dazu Minister Bartenstein. Die Mietrechtsnovelle sei ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung mehr Markt. Er verwies darauf, dass die bisher 17 verschiedenen Wege der Begründung von Wohnungseigentum nun endlich vereinheitlich wurden.