Erstmals seit drei Jahren besucht eine von Vizekanzler Mitterlehner angeführte hochrangige Delegation China - wirtschaftliche Verträge sollen Verluste aus Russland teilweise kompensieren.
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Peking. Der Zeitpunkt fällt sicherlich unglücklich: Genau in jenen Montagmorgenstunden, in denen die hochrangigste österreichische Delegation seit drei Jahren in Peking landete, begann das vierte Parteiplenum des 18. Zentralkomitees - die wichtigste innenpolitische Konferenz Chinas des laufenden Jahres.
Das ist üblicherweise eine Zeit, in der in der Hauptstadt Kulturveranstaltungen, Sportevents und eben politische Begegnungen gerne auch kurzfristig abgesagt werden. Man ist mit sich selbst beschäftigt, während hinter den Mauern des "Gästehauses im Westen der Hauptstadt" verschwiegene Partei- und Staatsgeschichte geschrieben wird. Gemessen an den Umständen bemühten sich die Chinesen jedoch, Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, Außenminister Sebastian Kurz, Agrarminister Andrä Rupprechter und Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl nicht an die frische Luft zu setzen - was angesichts des Smogs ohnedies schwer möglich gewesen wäre.
Immerhin gab es auch Gründe zu feiern, offiziell das 50-jährige Jubiläum der Kooperation der Wirtschaftskammern der beiden Länder. Inoffiziell markierte der Besuch auch das Ende der kleinen Eiszeit, die 2012 mit dem Besuch des Dalai Lama in Österreich angebrochen war. Kein Thema mehr, so Außenminister Kurz.
Menschenrechte angesprochen
Stattdessen standen verhältnismäßig hochrangige Treffen auf dem Programm, etwa mit Chinas Chefverhandler für internationalen Handel Zhong Shan und Vizepremier Wang Yang. Am Dienstag nahmen sich außerdem der Minister für Wissenschaft und Technologie Wan Gang und der Vizeminister für Bildung Du Yubo Zeit für politische Gespräche. Mitterlehner lobte das offene Diskussionsklima und betonte, dass die Chinesen Probleme von sich aus ansprechen würden, etwa die Umweltverschmutzung - ein Feld, auf dem Österreich mit seinen Technologien zu punkten hofft. Die österreichische Delegation sprach ihrerseits die Menschenrechtsthematik an: "Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass bei diesem Besuch nur Wirtschaftsabkommen unterzeichnet werden", sagte der Vizekanzler.
Die Reaktion auf chinesischer Seite fiel laut Kurz unterschiedlich aus: Während man sich bei den Studentendemonstrationen in Hongkong jegliche Einmischung verbat und diese als "interne Angelegenheit" bezeichnete, habe es etwa bei der Frage der Uiguren offenere Gespräche gegeben.
Dennoch stehen naturgemäß die wirtschaftlichen Beziehungen im Mittelpunkt der Reise mit weiteren Etappen in Chengdu und Shanghai. Immerhin führt Wirtschaftskammerpräsident Leitl eine 120-köpfige Wirtschafts- und Wissenschaftsdelegation an. In China werde die Wirtschaft "auch in nächster Zeit jährlich um mehr als sieben Prozent wachsen", mittelfristiges Ziel sei es, Österreichs Exportquote von zehn Milliarden Euro "zu verdoppeln", so Leitl.
Er verhehlte auch nicht, dass man in Zeiten der Ukraine-Krise und flauer Konjunkturprognosen neue Märkte erschließen müsse und er mit den Russland-Sanktionen wenig Freude habe, ebenso wenig wie übrigens Chinas Vizepremier Wang, der laut Leitl gesagt habe: "Politische Probleme müssen politisch behandelt werden, Sanktionen schaden allen - wir sind Freunde von Russland und Europa." Dabei habe der Kammerpräsident - außer Protokoll - spontan applaudieren müssen.
Schweinefleisch nach China
Insgesamt wurden auch sieben Abkommen für Kooperationen von Universitäten und Forschungseinrichtungen unterschrieben, wobei auf österreichischer Seite die Universität Graz, die Montanuniversität Leoben, die IMC FH Krems, die AVL List sowie die TU Graz beteiligt sind. Grund zur Freude hatte auch Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, der bereits einige Tage zuvor aus Südkorea angereist war: Nach jahrelangen Verhandlungen hat die chinesische Regierung nun den Weg für den Import von österreichischem Schweinefleisch frei gemacht.
Aufgrund der aktuellen Situation in Russland ist auch dies von Bedeutung: 2013 exportierte Österreich Schweinefleisch im Ausmaß von 23,08 Millionen Euro nach Russland. Doch nach den EU-Sanktionen ist der Export praktisch völlig eingebrochen.
"Ich bin überglücklich, dass das gelungen ist. Ich gehe davon aus, dass wir innerhalb von zwei Jahren den Einbruch am russischen Markt kompensieren können", sagte Rupprechter erfreut. Gedämpfte Schweinepfoten - eine landestypische Delikatesse - standen beim abendlichen Empfang aber dennoch nicht auf der Tafel.