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Am Ende eine Frage des Vertrauens

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Wirtschaft

Der Prozess gegen UBS-Milliardenzocker Adoboli erreicht seinen ersten Höhepunkt.


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London. War das denn möglich? Dass er gar nichts wusste? "Nur eine Reihe weit entfernt" saß Ronald Greenidge von dem Mann, der vorigen Herbst auf spektakuläre Weise den Londoner Zweig der Schweizer Großbank UBS um 2,3 Milliarden Dollar erleichterte. Fünf Jahre lang traf er "praktisch jeden Tag" auf Kweku Adoboli, der nun als "Rogue Trader", als Superschwindler, in London vor Gericht steht. Von all dem, was Adoboli in jenen Jahren ausheckte, will Greenidge absolut nichts gewusst haben.

"Das kann doch nicht wahr sein!" sei seine erste Reaktion gewesen, als man ihm Adobolis Machenschaften enthüllte, beteuert Greenidge. Welten können offenbar zwischen zwei Reihen einer Bank liegen. Greenidge war bis April 2011 Adobolis Vorgesetzter. Sein Kreuzverhör in Southwark Crown Court am Donnerstag bildete einen ersten Höhepunkt im Prozess gegen den vormaligen UBS-Star, dem jetzt zehn Jahre Haft wegen Betrugs und Fälschungen drohen.

Ob er denn nicht als Adobolis Chef gewisse Gefahren leichtfertig mit in Kauf genommen habe, wurde Greenidge von dessen Anwälten gefragt. Zum Beispiel habe Adoboli an einem Tag kurz vor Geschäftsschluss mit seinen Deals die offiziell erlaubte Risiko-Grenze an Millionen-Käufen für die darauf folgende Nacht deutlich überschritten. Warum er, Greenidge, ihn denn damals nicht befragt, ihn nicht zur Absicherung seiner Positionen aufgefordert habe?

Die gesetzten Grenzen seien "eben auch flexibel" gewesen, entgegnete Adobolis Ex-Boss zögernd. Für die Verteidigung war das "ein erstes Beispiel dafür, dass es zur Kultur und zu den Praktiken der Bank gehörte, dass gesetzte Grenzen wie diese in Wirklichkeit gar nichts bedeuteten - solange nur genug Geld gescheffelt wurde". Gerade im Jahr 2011, in dem Adoboli seine riesigen Verluste einfuhr, sei das Klima in den Banken wesentlicher aggressiver geworden. Man habe den Händlern höhere Einnahmen abverlangt, und "den Knopf für größere Risiken gedrückt".

Greenidge, der während der Zeugenvernehmung schon ordentlich ins Schwitzen gekommen war, verteidigte halbherzig die Bankregeln. Er räumte aber auch ein, dass der Druck auf seine Mitarbeiter und deren Risikobereitschaft in der fraglichen Zeit erheblich gewachsen seien. Wie denn die Leute unter diesen Umständen wissen sollten, wann es "Zeit zum Aufhören" sei beim Eingehen von Risiken, wurde er gefragt. Darauf hatte er letztlich keine Antwort. Im Grunde, meinte er, sei man natürlich immer auch "auf Vertrauen angewiesen".

Noch steht ein Urteil darüber aus, wie viel Greenidge und andere Ex-Kollegen Adobolis von gefährlichen Aktionen wirklich wussten - oder warum die Alarmglocken in der Bank nicht früher schrillten. Dagegen beginnen sich, was das Rahmengerüst der Handlung angeht, die Schleier - sehr langsam - zu lichten.

Adoboli hatte in einem E-Mail am 14. September 2011 schon eingestanden, über mehrere Monate hin mit fiktiven Transaktionen zunehmend riskante Verluste im Bankgeschäft kaschiert zu haben. Laut der Londoner Staatsanwaltschaft hat sich der 32-Jährige dabei einer ganzen Palette von Betrugsmethoden bedient. Er soll das Buchen wichtiger Transaktionen unterlassen, jede Menge Handelspartner frei erfunden und zwecks Täuschung der Kontrollinstanzen der Bank die Einlösung von Deals auf irgendwelche Zukunftsdaten hin verlegt haben. Zu einem besonders kritischen Zeitpunkt soll Adoboli der Bank sogar ein Risiko von 12 Milliarden Dollar beschert haben. Adoboli, so der Schluss der Staatsanwälte habe, "die ganze Bank auf den Wurf einer Münze gesetzt".