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Am Ende profitierte nur der Iran

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Ayad Allawi, der frühere interimistische Premierminister des Irak, erinnerte letztes Wochenende in einem TV-Interview an einen der unverständlichsten Wendepunkte im Irakkrieg, nämlich die Entscheidung der USA, nichts gegen die Interventionen des Iran bei den Irak-Wahlen im Jänner 2005 zu unternehmen. "Unsere Gegner werden stark finanziell unterstützt. Wir nicht," sagte Allawi zu Wolf Blitzer von CNN: "Wir mussten den Wahlkampf ohne irgendeine Art von außerirakischer Unterstützung bestreiten."


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Was hier ans Licht kommt, ist eine Geschichte der Intrigen und der Unentschlossenheit der USA in der Frage, ob sie etwas gegen die Manipulationen durch den Iran unternehmen sollen. Ein CIA-Plan war entworfen, scheiterte aber an einer seltsamen Koalition, zu der auch Nancy Pelosi, heute Präsidentin des US-Repräsentantenhauses, und Condoleezza Rice, damals Sicherheitsberaterin, gehört haben sollen.

Weitere Ingredienzien der Geschichte sind, wie von Ex-Regierungsbeamten zu erfahren ist, Hybris und Naivität, die für den Irak-Einsatz charakteristisch sind. Präsident Bush und sein Team begeistern sich zwar für die irakische Demokratie, gleichzeitig betreiben sie jedoch eine Politik, die den Iran zur vorherrschenden Macht in der Region werden lässt.

An CIA-Warnungen, dass der Iran viel Geld in den Irak pumpt, um die Wahlen zu beeinflussen, hat es nicht gefehlt. Laut CIA soll es sich um 11 Millionen Dollar wöchentlich gehandelt haben. Dazu überquerten Woche für Woche an die 5000 Iraner die Grenze zum Irak, um sich mit gefälschten Papieren für die Wahl registrieren zu lassen.

Der CIA arbeitete einen Plan gegen die iranischen Machenschaften aus: Zuerst schien er realisiert zu werden, dann wurde aber mysteriöserweise doch nichts daraus. CIA-Mitarbeitern erklärte man zu dieser überraschenden Wendung nur, Rice und Pelosi wären übereingekommen, dass die USA nicht die irakische Demokratie unterstützen und sie gleichzeitig manipulieren könnten.

Rein ethisch betrachtet ist das sicherlich sehr lobenswert, aber mitten in der Verzweiflung des Irakkrieges zeitigte dieses Start-Stop-Manöver keine guten Ergebnisse: Es riss den gemäßigten Irakern, die mit etwas Unterstützung eine Chance gegen die extremistischen Kräfte gehabt hätten, vollends den Boden unter den Füßen weg. Pressesprecher von Rice und Pelosi verweigerten jede Stellungnahme dazu.

"Den Iranern wurde völlig das Feld überlassen", erinnert sich ein früherer US-Regierungsbeamter, der damals im Irak war: "Die Iraker waren bestürzt. Sie verstanden das Vorgehen der USA nicht. Für sie sah es so aus, als würden die USA den Irak einfach den Iranern geben. Wir meldeten nach Washington, dass das katastrophale Auswirkungen hat, von denen man sich nicht so schnell erholen würde."

Am Dienstag hatte ich Gelegenheit, mit Allawi in Amman, Jordanien, zu telefonieren: Er bestätigte den Rückzug der USA in dieser Angelegenheit. "Ursprünglich erklärten die USA, dass sie gemäßigte Kräfte unterstützen wollten, finanziell und in den Medien." "Das wurde abgebrochen, unter dem Vorwand, dass man sich nicht einmischen wolle." "Verständlich" sei diese Entscheidung der USA, sagte Allawi, allerdings habe sie dem Iran und seinen finanzstarken Verbündeten das Feld überlassen.

Allawi kündigt an, dass er eine neue Koalition aus Kurden, Sunniten und säkularen Schiiten aufbauen will, als Alternative zur jetzigen Koalition, die Premierminister Nouri al-Maliki im Amt hält. Und die US-Regierung kündigt an, dass sie nun etwas gegen die iranische Einmischung unternehmen will. Dazu ist es jetzt aber wohl zu spät.

Übersetzung: Hilde Weiss