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"Am Ende wird die Vernunft siegen"

Von Arian Faal

Politik
Vizepräsidentin Ebtekar ist die ranghöchste Politikerin des Iran. Stanislav Jenis

Irans Vizepräsidentin Massoumeh Ebtekar über den Atomdeal, Frauenrechte und das Verhältnis zu den USA.


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Wiener Zeitung: Kann es sein, dass der Atomdeal vom Iran aufgelöst wird, wenn sich die andere Seite, vor allem die USA, nicht an ihre Verpflichtungen hält?Masoumeh Ebtekar: Das war ein multilateraler Vertrag, den beide Seiten mühevoll erreicht haben. Alle Seiten müssen ihre Verpflichtungen in den vorgesehenen Zeitfenstern erfüllen. Wenn sich eine Seite nicht an die Erfüllung hält, dann sehen wir uns mit großen Problemen konfrontiert. Die Erwartungshaltung innerhalb der öffentlichen Meinung ist enorm groß. Glücklicherweise gibt es hinsichtlich der Informationspolitik unseres Präsidenten Hassan Rohani gelungen, der Bevölkerung über die einzelnen Gründe für die Verzögerung der Umsetzung etwa die Bankenprobleme detailliert zu informieren.

Sind wir noch weit entfernt von einer völligen Umsetzung des Deals?

Der Iran hält sich penibel an seine Verpflichtungen, das hat auch die Internationale Atomenergiebehörde jüngst wieder bestätigt. Lassen Sie mich auch unterstreichen, dass man nicht sagen kann, dass nichts umgesetzt wurde und nichts weitergegangen ist. In vielen Bereichen gab es Investitionen, und auch der Verkauf von iranischem Öl ist gestiegen. Es gibt auch ein Wirtschafts- und ein Investitionswachstum, und wir sehen Fortschritte in allen Wirtschaftszweigen. Nur muss man halt sagen, dass das alles vielleicht nicht mit dem gewünschten und erwarteten Tempo vorangeht. Ein Beispiel für etwas Erreichtes: Wir haben bereits 14 Abkommen im Umweltbereich mit verschiedenen Ländern erzielt, die umgesetzt werden.

Wie sehen Sie die Rolle der USA, die noch hemmend in Bezug auf die Rückkehr des Iran auf den Bankensektor wirken? Wird sich Washington hier bewegen?

Ich hoffe das, denn dieser Deal hat für alle eine wichtige Bedeutung und so gibt es auch in den USA Menschen, die eine Lösung für die Probleme und eine sachliche Beziehung zum Iran wollen. Vielleicht führt das nicht zu einer Gesundung der Beziehungen zwischen Washington und Teheran, aber dieser Vertrag ist wichtig für den Frieden und die Stabilität in der Region. Ein starker Iran kann da eine Schlüsselrolle spielen.

Sie haben mehrmals erwähnt, dass die Zeit gegen den Iran spielt. Könnte es sein, dass die Umsetzung des Abkommens nach der Ära Barack Obamas von einem neuen US-Präsidenten erschwert wird?

Eine Prophezeiung ist schwierig. Keiner der Kandidaten hat sich zum Deal klar geäußert. Aber die USA haben sich für den Deal ausgesprochen. Natürlich muss man auch sagen, dass es Gegner gibt und zionistische Lobby-Gruppierungen gegen den Deal wettern. Sie wollen keine Sicherheit in der Region, aber wir müssen abwarten. Es ist noch zu früh.

Glauben Sie, dass der Deal aufgelöst wird?

Nein, ich denke nicht. Am Ende wird die Vernunft siegen und dieser Vertrag umgesetzt. Nur wird es vielleicht mehr Zeit als vorhergesehen brauchen.

Kommen wir zu den österreichisch-iranischen Beziehungen: Österreich ist immer ein Schlüsselland für den Iran als Tor zu Europa. Wie sehen Sie die derzeitige Entwicklung?

Es ist eine historisch fundierte und wirtschaftlich wertvolle Beziehung. Ich hatte ausgezeichnete Begegnungen mit dem Umwelt- und dem Außenminister. Dabei haben wir eine Intensivierung der Beziehungen vereinbart. Aber es scheint, dass einige Gruppierungen enormen Druck auf Österreich ausüben, damit dies nicht geschickt. Aber nicht nur politisch geht etwas weiter. Auch die Wirtschaftstreibenden sind sehr interessiert, ihre bilateralen Beziehungen auszubauen. Abgesehen davon spürt man das enge Freundschaftsverhältnis zwischen beiden Ländern.

Kann man sagen, dass Österreich für den Iran einen Sonderstatus hat?

Ja auf jeden Fall, wenngleich wir uns auch um bessere Beziehungen zu Frankreich, Italien, Deutschland, Schweden, Finnland oder Norwegen bemühen.

Nun zu den Menschenrechten: Viele der Wahlversprechen Rohanis wie die Freilassung der Oppositionsführer Mehdi Karroubi und Mir-Hossein Moussavi, die Einführung der Bürgerrechtscharta und mehr Freiheiten für die Jugend warten immer noch auf eine Umsetzung. Warum?

Es ist sehr viel weitergegangen, nur brauchen wir halt Zeit. Außerdem sollte man bedenken, dass der Präsident bei einigen Entscheidungen, die Sie angesprochen haben, nur bedingte Befugnisse hat. Insgesamt spüren die Menschen aber, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht.

Was ist mit den Frauenrechten, auf die Sie immer so pochen? Was ist da seit Rohanis Amtsübernahme konkret weitergegangen?

Ein wichtiger Schritt war die Einführung von mehr Freiheiten in diversen Bereichen, aber im Rahmen des religiösen Kontextes im Iran. Wir haben eine Vizepräsidentin, Shahindokht Molaverdi, die sich sehr um die Frauenangelegenheiten kümmert. Der Frauenanteil bei der Aufnahme in Jobs wurde erhöht. Außerdem wird versucht, Frauen auch mit Rohanis Hilfe verstärkt die Teilnahme an internationalen Bewerben zu ermöglichen. Faktum ist, dass die Frauen nun verstärkt in vielen Bereichen eine Schlüsselrolle spielen. Viele Vizeminister, politische Funktionäre und auch Universitätsbedienstete sind Frauen. Schauen sie sich die Chefin der Petrochemie an, Vizeölministerin Marzieh Shahdaei, die sehr erfolgreich ist.

Und wie sieht Ihr Ausblick aus?

In der Zukunft wird sich die Rolle der Frauen noch weiter verbessern. Sie sind im Sport sehr erfolgreich, und es wird noch weitere Verbesserungen geben. Auch in der Diplomatie. Wir hatten in unserer Regierung sowohl erstmals eine Außenamtssprecherin als auch nun eine Botschafterin im Ausland. Aber lassen Sie mich noch sagen, dass ich bei meinen zahlreichen Reisen durch den Iran immer mehr feststelle, dass auch in der ländlichen Gegend immer mehr Frauen politische Funktionen erhalten, weil sie gebildeter sind als die Männer. Diese Hürde wurde überwunden, und niemand sagt mehr, dass da keine Frau ans Ruder darf.

Zur Person

(af) Masoumeh Ebtekar

ist die derzeit erfolgreichste iranische Politikerin. Als eine der weiblichen Ikonen der Islamischen Revolution hatte sie sich bereits zu Beginn der Volkserhebung einen Namen gemacht. Wie Ebtekar haben sich seit dem Sturz des mit dem Westen verbündeten Shahs vor mehr als 30 Jahren zahlreiche ehemalige Hardliner zu Reformern oder deren Sympathisanten gewandelt. Ebtekar absolvierte ihre Schullaufbahn zum Teil in den USA und spricht fließend Englisch. Während der 444-tägigen Geiselkrise 1979 galt sie als Schlüsselfigur und Sprecherin der Botschaftsbesetzer und trat als "Mary" auf. Sie war regelmäßig "Gast" in US-Sendern und übersetzte für die Geiselnehmer, die bis Jänner 1981 52 Menschen in ihrer Gewalt hielten. In mehreren Stellungnahmen verteidigte Ebtekar die Botschaftsbesetzung und ihre damalige Rolle mit Hinweis auf die Revolutionsbegeisterung und den historisch bedingten Hass vieler Iraner auf Washington. Die USA hatten 1953 einen Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung inszeniert. Ebtekar, die ein Doktorat in Immunologie besitzt, war die erste Vizepräsidentin des Iran unter dem reformorientierten Präsidenten Mohammad Khatami zwischen 1997 und 2005. Später war sie Mitglied des Teheraner Gemeinderats und erwarb sich Anerkennung als Umweltexpertin. Der derzeitige moderate Präsident Hassan Rohani machte sie im September 2013 als Vertreterin des Reformflügels zur Leiterin der Umweltbehörde und damit auch erneut zur Vizepräsidentin.