Der designierte ÖVP-Chef Mitterlehner will die Finanzminister-Suche noch diese Woche abschließen.
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Wien. Fachkompetenz und Kenntnis des politischen Systems - das sind für den designierten ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner die wichtigsten Komponenten, wenn er in diesen Tagen Gespräche mit möglichen Anwärtern auf das Finanzministerium führt. Bis Dienstag wird Finanzminister Michael Spindelegger die Geschäfte noch wahrnehmen, bis dahin soll die Regierungsumbildung abgeschlossen sein. Für Montag sind die Angelobungen bei Bundespräsident Heinz Fischer vorgesehen.
Der überraschende Rücktritt des Vizekanzlers am Dienstag und der Tod von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer machen ein größeres Revirement notwendig. In der Sondersitzung des Nationalrats am 2. September wird Mitterlehner schon als neuer Vizekanzler eine Rede halten, gleichzeitig wird Bundeskanzler Werner Faymann die neuen Regierungsmitglieder der SPÖ präsentieren - Alois Stöger übernimmt das Infrastruktur-, Sabine Oberhauser das Gesundheitsministerium. In dieser Sitzung findet auch die Wahl von Doris Bures zur Nationalratspräsidentin statt, die anschließend das Präsidium übernehmen wird.
Mitterlehner bleibt Wirtschaftsminister
In der ÖVP wird auf jeden Fall das Finanzministerium neu besetzt, für das Mitterlehner noch diese Woche den geeigneten Kandidaten gefunden haben will. Weitere Rochaden schloss der neue ÖVP-Chef nicht aus, im Kern solle die Regierungsmannschaft aber so bleiben, wie sie ist. Mitterlehner behält das Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium und begründete das unter anderem mit seinem guten Einvernehmen mit der Scientific Community.
Dass er im Gegensatz zu seinen Vorgängern die Funktionen Finanzminister und ÖVP-Obmann trennen will, begründete Mitterlehner damit, dass die Rolle als Chef des Finanzressorts eine "sehr aufwendige Tätigkeit" sei. Man müsse hierfür gut eingearbeitet sein, es gebe keine "Schonzeit". Außerdem glaube er, dass der Spielraum als Parteiobmann auf diese Weise etwa beim Finanzausgleich oder der Steuerreform größer sei.
Potenzielle Finanzminister - Frau erwünscht
Als potenzielle Finanzminister werden einige Personen gehandelt, festlegen wollte sich in der ÖVP derzeit niemand - abgesehen davon, dass Mitterlehner hier die Entscheidung trifft. Stephan Koren gilt als Favorit - er ist Banker und hat auch Erfahrungen in Ministerkabinetten gesammelt. Im Rennen soll auch der Spindelegger-Vertraute Finanzstaatssekretär Jochen Danninger sein. Hans Jörg Schelling werden ebenfalls Chancen eingeräumt. Er hat in der Wirtschaftskammer ohne viel Wirbel 20 bis 30 Prozent in den Fachorganisationen eingespart, die Krankenkassen haben sich seit seiner Vorsitzführung im Hauptverband erholt, und er hat politische Erfahrung. Außerdem verfügt er über Durchsetzungsfähigkeit.
Andererseits liebäugelt die ÖVP damit, wieder eine Frau in das Schlüsselressort zu hieven. Ex-Gesundheitslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder ist zwar seit einigen Monaten nicht mehr in der steirischen Landesregierung, aber sie hat immerhin kurze Erfahrung auch als Finanzlandesrätin gesammelt. Sie soll ab 1. September Vizerektorin an der Medizinischen Universität in Graz werden.
Keuschnigg: Finanzminister muss kein Ökonom sein
Ein Finanzminister oder eine Finanzministerin müsste sowohl mit dem Kanzler als auch mit dem Vizekanzler eine gute Gesprächsbasis haben und sollte auch mit den anderen Ministerkollegen auskommen, schließlich beruhen fast alle Reformen auf der Mittelzuwendung aus dem Budget. "Es ist kein Fehler, als Finanzminister ein Fachmann zu sein", sagt der Ökonom und Leiter des Instituts für höhere Studien Christian Keuschnigg zur "Wiener Zeitung", "aber er muss Reformen auch politisch zustande bringen." Man könne als Ökonom die schönsten Reformen entwerfen, wenn man sie nicht umsetzen könne, bleibe alles Makulatur. Wichtig sei, dass ein Finanzminister ein ökonomisches Grundverständnis mitbringe, durchsetzungsfähig sei - also Richtlinienkompetenz habe - und den Beamtenapparat gut einzusetzen vermag.
Steuerreform und Budgetals Herausforderungen
Mitterlehner scheint jedenfalls gewillt, dem Koalitionspartner in der Frage der baldigen Steuerreform entgegenzukommen. "In der Pattstellung werden wir die Zustimmung beim Publikum nicht bekommen", sagte er. Allzu viel Spielraum sieht Keuschnigg dafür aber nicht. Wichtig sei eine Senkung der Steuerquote - was Ausgaben kürzen bedeute. Er sei keiner, der auf der Einnahmenseite Prioritäten setzen wolle, aber bei der Grundsteuer könne man nachbessern. Etwa eine Milliarde Euro an Zusatzeinnahmen daraus hält der Ökonom für machbar.