Mit langen Gesichtern haben die meisten Politiker in den Niederlanden am Montag auf das klare Nein der Franzosen zur EU-Verfassung reagiert. Zwei Tage vor dem entsprechenden Referendum im eigenen Land zeigte sich besonders der christdemokratische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende enttäuscht.
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Schließlich hatten er und seine Minister in letzter Zeit verstärkt gegen eine negative Grundstimmung bei den 12 Millionen Wählern anzukommen versucht. Denn die letzte Umfrage signalisiert, dass etwa 54 Prozent der Niederländer es den Franzosen nachtun werden. "Nun erst recht für Europa", klang es trotzig aus den Den Haager Regierungsetagen.
Die Gegner des Verfassungsprojekts sahen sich dagegen in ihrem Protest bestätigt. Aber weil sie aus verschiedenen, vorwiegend durch Unzufriedenheit verbundenen Gruppen kommen, war ihr Jubel über das französische Ergebnis weniger deutlich vernehmbar.
Lediglich die Sozialistische Partei (SP) und die Partei für die Tiere, die seit Tagen vor allem im Radio heftig für Ablehnung werben, klangen noch hoffnungsfroher als zuvor.
Nein, die Niederländer sollten sich nicht vorschreiben lassen, wie sie abzustimmen hätten, mahnten die Befürworter am Montag. Noch sei nichts verloren, die Niederländer hätten noch genug Raum, ihrer eigenen Verantwortung als Bürger der EU gerecht zu werden, schrieben die überwiegend pro-europäischen Kommentatoren der Zeitungen. Warnungen vor "Diktat durch die Großen in Europa" gehören ohnehin zu den Standardthemen niederländischer Polit-Debatten.
Allerdings konnten die Niederländer auch viel von Krise, von drohendem Schaden für Europa und für das Image des eigenen Landes lesen. Auf einen Vorschlag von Oppositionsführer Wouter Bos von der sozialdemokratischen Partei der Arbeit, bei Ablehnung des Entwurfs im nächsten Jahr erneut eine Volksbefragung in den Niederlanden anzusetzen, ging diesmal niemand ein. Man wolle erst einmal abwarten, sagten Politiker vorsichtig. Schließlich ist die Lage weiterhin undeutlich.
Zwischenzeitlich hatten Meinungsforscher in den Niederlanden 60 Prozent Ablehnung für die Verfassung ausgemacht. Dieser Trend sei jedenfalls umgekehrt worden, verkündeten Sprecher der Regierung hoffnungsvoll. Ob die Wende nachhaltig genug ist für eine Zustimmungsmehrheit in letzter Stunde, wagt aber niemand zu sagen.
Es dürfte stark auf die Beteiligung ankommen. Dass die Niederländer in ähnlich großer Zahl in die Abstimmungslokale strömen wie es die Franzosen am Sonntag taten, wird eher skeptisch beurteilt. An der Zeit soll es jedenfalls nicht liegen. Von 7.30 Uhr bis 21 Uhr können die Niederländer am Mittwoch die Frage beantworten "Sind Sie für oder gegen Zustimmung der Niederlande zum Vertrag zur Feststellung einer Verfassung für Europa?"
Noch am Abend soll bekannt werden, ob es eine verschärfte Krise in Europa gibt oder ob Frankreich nur ein Ausrutscher war. dpa