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Am Pranger

Von Wolfgang Glass

Gastkommentare
Wolfgang Glass ist promovierter Politologe und derzeit im Personalbereich tätig. privat

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Wahlen, die Hochzeiten in einer Demokratie, bringen immer viele Menschen an den Pranger. Insbesondere Politiker werden regelrecht verbal abgeschlachtet. Dadurch kann einem schon ein gesellschaftlicher Aufstieg gelingen, vom Tachinierer zum Stammtischweisen. Doch allzu gerne wechseln wollen wir dann doch nicht mit den bekrittelten Personen. Vor allem wenn es um die Aufgabe der Privatheit ginge oder um die Umsetzung dessen, was wir selbst alle zum Besten geben.

Das Einhalten von Regeln und der Umgang mit Menschen lässt oftmals zu wünschen übrig. In Social Media werden Menschen aufs Schärfste ohne Angabe von Quellen oder den Hauch eines Nachweises diskreditiert, Politiker müssen in Stehsätze flüchten, weil sie die Rache der Journalisten (dem Archiv) fürchten und dass sie auf irgendein unwesentliches Detail von vor x-Jahren hingewiesen und dementsprechend medial an den Pranger gestellt werden könnten, und privat regt man sich über die nicht im Eilzugstempo erhaltene Rückantwort des Kollegen auf, obwohl man selbst eigentlich permanent zu spät kommt oder einfach nur kurzfristig absagt.

Affenzirkus der Social Media

Vielleicht sind wir auch einfach nur überfordert vom Überfluss an vielem und flüchten uns in eine Scheinwelt, indem wir maßlose Kritik (eine die wir selbst nicht einstecken wollen) an anderen anbringen (ohne Rücksicht auf Verluste) um die eigenen Schwachpunkte der Ahnungslosigkeit kaschieren zu können.

Hoffen wir, dass der Bundespräsidentschaftswahlkampf bis zum 22. Mai halbwegs gesittet über die Bühne geht. Es geht schließlich um zwei Kandidaten, die zuvor aus sechs Personen vom Volk als die Fähigsten für dieses Amt gewählt worden sind. Früher bewarf der Mob den Angeprangerten an gut frequentierten öffentlichen Orten mit faulen Eiern und Fallobst. Heute wird der Pranger leider überall aufgestellt, der Mob braucht nur zu klicken. Unter dem Deckmantel einer sozialen Scheinheiligkeit wird darüber hinaus vieles toleriert.

Das Internet bietet offenbar einer wachsende Meute von ungesitteten Sittenwächtern ein geeignetes Habitat. Im Affenzirkus der Social Media kann bekanntlich jeder in den Himmel der Celebrities kommen - oder in die Hölle der Verdammten abstürzen. Zu diesem Leben im Überfluss passt eine Welt, der verbindliche Werte weitgehend abhanden gekommen sind. Der Halt, den Tradition oder Religion lange vermittelt haben, schwindet. Wir sind niemandem außer uns selber Rechenschaft schuldig. Selbstverwirklichung heißt das Lebensziel.

Ein solches Sinnvakuum ruft nach Glaubensersatz. Lebensformen à la Veganismus, Sharing Economie und dergleichen geben Handlungsanweisungen für ein angebliches besseres und moralisches Leben, eine quasi religiöse Instanz also. Aufgemotzt wird das neue, scheinbare tolle Leben, das wir alle gegenüber unseren Mitbewerbern zeigen wollen, via Social Media, Reality Soaps oder einfach nur verbal am Stammtisch. Zu spät kommen, nicht einhalten von Terminen oder permanentes Kommunizieren über dies und das ohne jeglichen Wert für den Rezipienten steigt massiv an.

Verantwortungsvolles Handeln

Verzicht, Frohsinn und vernünftiger Umgang (auf Gegenseitigkeit basierend) mit Mitmenschen sind aber nichts Neues. Auch die alljährliche Konsumkritik zu Weihnachten gab es schon bei Jesus, als er die Händler aus dem Tempel warf. Doch staatlich soll dies in einer freiheitlichen Gesellschaft wie unserer nicht verordnet werden. Statt staatliches Handeln ist verantwortungsvolles Handeln der Konsumenten gefragt. Zum Beispiel beim Verschwenden von noch essbaren Lebensmitteln. Alle, die sich unterwegs verpflegen, sind gefordert, achtsamer mit den Ressourcen umzugehen und der öffentlichen Hand nicht unnötig hohe Kosten aufzubürden, die hernach in Steuern wieder geschuldet sind.

Und selbst wenn man nur noch scheinbar fair und bio einkauft, heißt das noch lange nicht, dass dies der einzig richtig und wahre Weg ist. Welcher dieser sein kann, muss jeder für sich selbst herausfinden. Es sind Fragen, die jeder für sich beantworten soll. Den persönlich richtigen Weg für den Einzelnen in dessen Leben zu finden, ist nicht die Rolle des Staates, sondern eine Frage der persönlichen Ethik. Sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren, jene der Mitmenschen zu respektieren und nicht immer gleich jemanden unreflektiert "zum Teufel zu wünschen" - das entspannt ungemein.