Zum Hauptinhalt springen

Am siebenten Tage sollst Du ruhen

Von WZ-Korrespondent Markus Kauffmann

Wirtschaft

Berlin gibt Ladenöffnung frei. | Andere Bundesländer unter Zugzwang. | Berlin. Berlin, am Tag "null" der unbegrenzten Ladenöffnungszeiten, fünf Uhr morgens. Eine kleine Jazz-Combo spielt unverdrossen vor zwölf einsamen Bücherwürmern. Die "Ladenschluß-Killerparty" des Berliner Groß-Kulturkaufhauses geht zu Ende. Herrschte um Mitternacht noch Gedränge und Highlife im Supermarkt der Bücher und CDs, so ließ das Publikumsinteresse in den Morgenstunden abrupt nach.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ausgerechnet der rot-rote Senat der Hauptstadt rühmt sich, das "liberalste Ladenöffnungsgesetz" Deutschlands geschaffen zu haben. Seit 17. November dürfen die Geschäfte an der Spree von Montag bis Samstag durchgehend offen haben, sowie an den vier Advent- und weiteren sechs Sonntagen übers Jahr von 13 bis 20 Uhr. Seit die "Föderalismusreform" die Zuständigkeit für den Ladenschluß den Ländern übertragen hat, bröckelt die seit 50 Jahren einbetonierte Front der Regulierer. Ladenschlussregelungen gibt es in Deutschland schon seit 1891, ein reichsweites Gesetz seit 1900 und das bis heute gültige Bundesgesetz seit 1956.

Mit der Globalisierung wurde das rigide Zeitkorsett immer fragwürdiger. Nun hat Berlin die anderen Bundesländer unter Zugzwang gesetzt: Nordrhein-Westfalen zieht nach, in Brandenburg wird die Lockerung im Eilverfahren durchgepeitscht, weil man beim Weihnachtsgeschäft noch dabei sein will. Die anderen Länder planen Gleiches, die meisten bevorzugen die "6 x 24"-Regelung und schrecken - noch - vor der Freigabe des Sonntags zurück.

Auch Sonntagsöffnung wird diskutiert

Doch auch der Sonntag steht immer öfter zur Disposition. Apotheken, Tankstellen, Bahnhöfe, Flughäfen sowie Blumenläden, Bäckereien und Zeitungskioske sind ohnehin vom sonntäglichen Verkaufsverbot ausgenommen; in Kurorten und Hof-Läden darf man auch sonntags shoppen. Und dagegen läuft eine seltsame Koalition aus Gewerkschaftern, Einzelhändlern und Kirchen Sturm. "Wer die eigenen christlich-abendländischen Werte so gezielt unterminiert wie Klaus Wowereit, der wird zum Totengräber der eigenen Kultur", wettert etwa der Evangelische Arbeitskreis (EAK) der CSU.

Tatsächlich haben die Christen in der CSU ihrem Chef Stoiber, dem Vorkämpfer der Liberalisierung, eine herbe Niederlage bereitet, indem sie im Landtag an der alten Regelung festhielten. So wird Bayern, neben dem ebenfalls schwarz regierten Saarland, vorläufig draußen bleiben.

Auch die Gewerkschaft ver.di macht Front gegen die Freigabe und beruft sich dabei auf ein Urteil des Verfassungsgerichts, in dem das Öffnungsverbot an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen für verfassungskonform erklärt wurde, da diese Tage "der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung" sowie der "Verfolgung profaner Ziele wie die der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung" dienen.

+++ Wissen: Ladenschluss in Österreich

Seit 1. August 2003 gilt das neue Ladenschlussgesetz. Die Landeshauptleute legen innerhalb einer Rahmenöffnungszeit (Montag 5 Uhr bis Samstag 18 Uhr, höchstens 66 Stunden pro Woche) die jeweiligen Ladenöffnungszeiten fest.

In Wien und im Burgenland dürfen die Geschäfte von Montag bis Freitag zwischen 6 und 19.30 Uhr, an zwei Tagen (im Burgenland nur an einem) bis 21 Uhr und Samstags bis 18 Uhr offen bleiben. In Niederösterreich sperren die Geschäfte zwischen 5 und 21 Uhr auf, Samstags bis 18 Uhr. In Oberösterreich, Kärnten, der Steiermark, Salzburg, Tirol und Vorarlberg dürfen die Geschäfte zwischen 6 und 19.30, Samstags bis 17 Uhr offen bleiben. In Salzburg ist jedoch an zwölf Tagen im Jahr eine Öffnung bis 23 Uhr erlaubt, in Tirol jeden Donnerstag und in Vorarlberg einmal wöchentlich bis 21 Uhr. In Vorarlberg ist die Maximalöffnungsdauer in Kerngebieten auf 72 Stunden ausgeweitet.