Bedienstete und Beamte an der Versuchsanstalt des TGM sollen überhöhte "Taxen" kassiert haben.
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Wien. Aufgeflogen ist der Fall durch eine Mitarbeiterin, über deren Schreibtisch zahlreiche Abrechnungen gegangen sind - und die sich schließlich an das zuständige Ministerium gewandt hat. Was nun ein Prüfbericht der internen Revision im Bildungsministerium zu Tage brachte, hat Skandalpotenzial: In einem Zeitraum von mindestens drei Jahren bezogen zahlreiche Bedienstete und Mitarbeiter der an das Technologische Gewerbemuseum (TGM) angegliederten Versuchsanstalt für ihre Tätigkeiten beträchtliche Summen in Form von "Taxen", die sie eigentlich so nicht hätten beziehen dürfen. Das TGM ist eine direkt dem Bildungsministerium und damit ÖVP-Minister Heinz Faßmann unterstellte HTL.
Konkret zählen 107 Personen - die meisten davon Vertragsbedienstete, zum geringeren Teil Beamte - zum Verdächtigenkreis. Insgesamt sind 110 Personen in der Versuchsantalt des TGM tätig.
Faßmann suspendiert Direktor
Zehn von ihnen sollen besonders hohe Summen kassiert haben, in 41 Fällen konnten Doppelbezüge festgestellt werden, die sie nicht beziehen hätten dürfen: Ihre Tätigkeit in der Versuchsanstalt ist nämlich durch ihr Gehalt bereits abgedeckt. Das erklärte der Leiter der internen Revision im Bildungsministerium, Andreas Berger, am Freitag in einer Pressekonferenz gemeinsam mit Minister Faßmann und Wolfgang Peschorn, dem Präsidenten der Finanzprokuratur. Der Leiter des TGM, der in Personalunion auch Direktor der HTL ist, wurde von Faßmann vorläufig suspendiert.
Zur Erklärung: In der TGM-Versuchsanstalt können Firmen und Unternehmen ihre Produkte - beispielsweise Baustoffe oder technische Materialien - auf ihre Qualität und Standardtauglichkeit testen lassen. Das TGM ist die größter dieser Anstalten in Österreich, zwei Drittel aller privaten Prüfaufträge werden dort abgewickelt. Rund 500 Firmen sind Geschäftspartner. Die daraus lukrierten Gebühren sollen, laut einem Erlass aus dem Jahr 2014, für Investitionen, Infrastruktur und auch Personalkosten herangezogen werden.
Im TGM dürfte dieser "unpräzise" Erlass, wie es Faßmann ausdrückt, relativ großzügig ausgelegt worden sein. So sollen "Umsatzbeteiligungen" ausbezahlt worden sein, für die die gesetzliche Grundlage eindeutig fehlt. Anstelle von "Taxen", die die TGM-Prüfer, auch die 30 dort tätigen HTL-Lehrer, bezogen haben, hätte die Entlohnung über Mehrdienstleistungen, Nebentätigkeiten oder eine Nebenbeschäftigung erfolgen müssen.
Um rund 1,8 Millionen Euro soll die Republik auf diesem Wege in den vergangenen drei Jahren geprellt worden sein. Dass diese Praxis schon viel länger als nur drei Jahre üblich gewesen sein könnte, wollten Bildungsminister, Finanzprokuratur und interne Prüfer am Freitag nicht ausschließen. Auf Basis des internen Berichts hat die Finanzprokuratur umgehend straf- und disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet. Neben der vorläufigen Suspendierung des Direktors erhielten drei Beamte Disziplinaranzeigen, ebenso wie zwei Mitarbeiter im Bildungsministerium. Der Staatsanwaltschaft habe er eine Sachverhaltsdarstellung übermittelt, so der Bildungsminister.
Erlass wird "nachgeschärft"
Die bisher bekannten 41 "Doppelverdiener" seien auch strafrechtlich verdächtig. Die HTL am TGM selbst sei vom Fall nicht berührt, halten sowohl Faßmann als auch Gerlinde Bernhard, Vorsitzende des Zentralausschusses für Berufsbildende Schulen, der gewerkschaftlichen Vertretung. Bernhard fühlt sich für den Großteil der betroffenen Personen nicht zuständig.
Faßmann will nun eine Reformkommission zu den Versuchsanstalten einsetzen, die die Struktur auf gänzlich neue Beine stellen soll. Man habe bei der Verwendung von Drittmitteln "klare Regeln", jedoch "nicht in diesem Bereich." Den "unpräzisen" Erlass wolle er "nachschärfen", so der Bildungsminister. Dieser "verbietet die Taxen nicht ausdrücklich".
Ob und wenn ja, wie viel die Republik von den "Taxen" wiedersehen wird, ist unsicher. Die Staatsanwaltschaft werde ermitteln, man werde "alle Rechtsansprüche sorgfältig prüfen", so der Tenor am Freitag. Gut möglich, dass sich die Republik einem allfälligen Verfahren als Privatkläger anschließen wird. Auch sei es möglich, noch weiter als drei Jahre zurück zu prüfen. Allerdings: Schadenersatz-Ansprüche gelten rechtlich nach drei Jahren als verjährt.