Der künstlerische Einfluss der feministischen Avantgarde ist immens - eine Betrachtung zum Frauentag.
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Zum 8. März muss alljährlich die Frage gestellt werden, wie es den Frauen in der Kunstszene Österreichs und am internationalen Kunstmarkt ergeht. Die publizierten Kulturbudgets machen leider klar, dass immer noch weniger als ein Drittel der Kunstankäufe Werke von Künstlerinnen betreffen. Nicht, dass es sie nicht gäbe. Wiener Galeristen sprachen schon in den 90er Jahren vom Gleichstand, an den Akademien sind Studentinnen in der Mehrzahl, die Preise jedoch haben das Niveau ihrer männlichen Kollegen nie erreicht. Es bleibt in postfeministischen Zeiten von Queer und Transgender eine zu wenig beachtete Tatsache, dass nicht nur die allgemeine Arbeitskraft von Frauen schlechter entlohnt wird, sondern auch die Honorare in der Kunst meist niedriger ausfallen.
Was ist falsch gelaufen in der durch Pop angeblich demokratisierten Kunstpolitik seit der ersten Welle des Feminismus in den 70er Jahren? Hier in Österreich, aber auch international, gibt es wenige Institutionen, die Paritäten überhaupt noch im Auge haben. Selbst in Jurys herrscht das kapitalistische Leistungsprinzip vor, bei dem Qualität und Bekanntheitsgrad eine Einheit bilden. Jedoch: Wer nicht beizeiten gefördert wurde, kann nicht im Bewusstsein der in der Kultur Tätigen sein, und die Zustimmung ist von öffentlicher Präsenz und Förderung abhängig. Wie sehr aber Neuerungen der Neuen Medien, vor allem die Arbeit mit Video, Film und Fotografie, auch neue sozialpolitische Fragen und ironische Konzepte bis hin zu einem neuen Künstlertypus ab 1970 von "feministischen Aktionistinnen" ausgingen, die - aus heutiger Sicht - innovativer in Richtung Konzept unterwegs waren als die vier berühmten Vertreter des "Wiener Aktionismus", kommt erst verzögert ans Licht.
Isolation oder Gerechtigkeit?
Ausstellungen, die auf Positionen von Künstlerinnen reduziert sind, wurden lange kritisiert. Bekannte Künstlerinnen wie Maria Lassnig wollten nicht mehr auf diese Weise isoliert werden. Wenn Themen aber traditionell rein männlich besetzt sind, kommt nicht einmal heute Kritik auf. Am besten wäre die Durchmischung nach aktuellen Kriterien, aber dies bedeutet, dass alle Beteiligten gut informiert sein müssen. Da Museen auf Besucherzahlen schauen müssen, tun sie sich schwer, den weniger bekannten Positionen von Künstlerinnen Personalen zu widmen. Daher ist es in Wien auch eine private Sammlung, die sich durch ihre Kuratorin besonders anstrengt, eine immer größer werdende Lücke auch in der Forschung zu füllen: Gabriele Schor von der Sammlung Verbund publiziert zu den Ankäufen Werkkataloge österreichischer Künstlerinnen wie Birgit Jürgenssen, aber auch internationaler Stars wie Cindy Sherman neben Entdeckungen wie Francesca Woodman. Derzeit arbeitet sie an einer Publikation des wichtigen Frühwerks von Renate Bertlmann.
Dazu hat Schor eine große Ausstellungstournee der Werke der "Feministischen Avantgarde" mit Start in Rom 2010 auf den Weg gebracht, die ab 13. März in der Hamburger Kunsthalle den Stand der derzeitigen Forschungen wiederum mit einem begleitenden Katalog und aktuellen Texten präsentiert. Schor wird nicht müde, ihren eigenen Wissensstand wie ihr Programm ständig zu erweitern und so sind es mittlerweile Werkblöcke von 34 Künstlerinnen ohne Ländergrenzen, mit denen sie zuvor in den Museen von Madrid, Brüssel und Halmstad zu Gast war - nach Hamburg kommt London und im Herbst 2016 eine Zwischenstation im Wiener Mumok vor dem ZKM Karlsruhe. In der Schau begegnet uns parallel zum plakativen Doppel-Elvis Andy Warhols Ulrike Rosenbach als Cowgirl mit Pistole, die schon 1976 mit "Glauben sie nicht, dass ich eine Amazone bin" Ikonen der Kunstgeschichte mit Pfeilen verletzte wie Gina Pane ihre Haut. Ketty La Rocca nahm die Sprache als Waffe und verband sie wie die Türkin Nil Yalter mit ihrem zur Sprachlosigkeit verurteilten Körper. Hände und Bauch werden zu Zeichen eines radikal reduzierten semiotischen Spiels. Dagegen traten die Amerikanerinnen Leslie Labowitz und Susanne Lacy laut als performative Aktivistinnen mit Transparenten und schwarzer Verschleierung gegen Gewalt an Frauen in Hollywood auf. Ebenso politisch greift die Portugiesin Helena Almeida durch Gittertore, die sich nach der "Nelkenrevolution" 1974 in ihrem Land öffneten.
Kampf gegen Machtstrukturen
Das "an die gläserne Decke Stoßen" durch Frauen machte Hannah Wilke 1976 zum Thema ihrer Performance hinter dem berühmten "Großen Glas" Marcel Duchamps, wobei sie seinen Blick auf Androgynität einschließt. Die Glasplatten, an denen sich Ana Mendieta oder Jürgenssen ihre Gesichter plattdrücken, sprechen von gesellschaftlichen Schranken wie von Verletzbarkeit. Die Göttinnen der Prähistorie anzurufen, hat Mary Beth Edelson neben Carloee Schneemann im Sinne, um dekonstruierend auf phallische Machtstrukturen zu wirken. Jene im französischen Strukturalismus und von Judith Butler parallel diskutierten Identitätsfragen in Bezug auf Geschlechter kombinieren viele der Künstlerinnen gekonnt mit einer geballten Ladung Humor. Das gilt für Bertlmann wie für Martha Roslers "Semiotics of the Kitchen". Beide sind meilenweit entfernt von narzisstischen Bespiegelungen, wie sie Rosalinde Krauss zu Unrecht den Künstlerinnen im Umgang mit der auf ihren Körper gerichteten Videokamera 1976 vorgeworfen hat.
Schor dringt nun über die bekanntesten Performances und Straßenaktionen wie der des "Expanded Cinema" von VALIE EXPORT, deren Kunstname in Großbuchstaben ein wichtiges Statement des Feminismus war, in die sinnlichen Experimentierfelder der feministischen Avantgarde auch in Österreich vor. Sie verknüpft Bertlmann, Karin Mack, Linda Christanell und andere mit der internationalen Performanceszene, um zu zeigen, dass die Werkaufarbeitung wichtiger Künstlerinnen endlich auf eine breitere Ebene gestellt werden muss.
Ausstellung
Feministische Avantgarde der 1970er Jahre
Gabriele Schor (Kuratorin)
Hamburger Kunsthalle
Bis 31. Mai