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Ambros-Lied als Neonazi-Schlager

Von Georg Friesenbichler

Europaarchiv

Musik ist wichtiges Propagandamittel von Rechtsextremen zur Rekrutierung.


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Berlin. Als Wolfgang Ambros für einen 1992 ausgestrahlten "Tatort" ein Lied schrieb, hätte er sich wohl nie träumen lassen, was aus seinem Werk einmal werden würde. In dem mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Streifen aus der Krimi-Reihe ging es um Kinderbanden aus Osteuropa, und der österreichische Liedermacher persiflierte in seinem Song die Gedankengänge rechtsextremer Schlägerbanden - auch unter dem Eindruck von Asylantenheimen in Deutschland, die damals von einem rassistischen Mob in Brand gesetzt worden waren.

Der Refrain "Sie zerhacken die Kanaken / jede Nacht / a neue Schlacht" gefiel allerdings einer deutschen Neonazi-Band so gut, dass sie das Lied ungeachtet seines ironischen Untertons adaptierte. Verantwortlich dafür ist die Band "Gigi & die braunen Stadtmusikanten", die auf ihrer CD "Adolf Hitler lebt!" auch die "Döner-Killer" besangen, in Anspielung auf jene Neonazi-Gruppe, die für neun Morde an Migranten und einen an einer Polizistin verantwortlich gemacht werden. Daniel "Gigi" Giese ist seit 25 Jahren in der Rechtsrockszene, stellt seine Stimme auch anderen einschlägigen Gruppen wie "Stahlgewitter" oder "Kahlkopf" zur Verfügung und landet mit seinen Produkten regelmäßig auf der Index-Liste der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.

Die rechtsextreme Szene betrachtet Musik als eines ihrer wichtigsten Propagandamittel. Die NPD hat vor einigen Jahren die Idee von sogenannten freien Kameradschaften aufgegriffen und kostenlos "Schulhof-CDs", auf denen sich verschiedene Rechtsrock-Gruppen finden, in der Nähe von Schulen und Jugendtreffs verteilt, um Jugendliche für die "nationale Sache" zu werben. Auch das Internet ist ein wichtiger Vertriebsweg für solche Musik.

Enge NPD-Beziehungen

Einen solchen Online-Shop, in dem neben dem transformierten Ambros-Lied auch Anstecker mit Neonazi-Symbolen und Schlagstöcke zu erhalten sind, betreibt auch David Petereit, seit September NPD-Landtagsabgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern. Er ist ein protypisches Beispiel für jene engen Verknüpfungen zwischen der NPD und der gewaltbereiten extremistischen Szene, die im Gefolge der "Döner-Morde" jetzt immer offenkundiger wird. Petereit war früher in der "Kameradschaft Mecklenburgische Aktionsfront", die 2009 als verfassungsfeindlich verboten wurde. Heute ist er Landesvize der NPD.

Ein anderes Beispiel liefert Thüringen, aus dem die mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe stammen: Im Jahr 2000 waren sieben von zwölf NPD-Vorstandsmitgliedern zugleich Anhänger des "Thüringer Heimatschutzes" (THS), in dem das Trio bis zu seinem Untertauchen aktiv war. Auch der vor kurzem in den NPD-Bundesvorstand gewählte Patrick Wieschke war im THS tätig und musste wegen Beihilfe zu einem Bombenanschlag auf einen türkischen Kiosk eine Gefängnisstrafe absitzen.

Gleichfalls in Thüringen soll nun eine Untersuchungskommission aufklären, was der Verfassungsschutz und die anderen Sicherheitsbehörden des Landes über die Zwickauer Terrorzelle wussten und warum es nicht gelang, das Trio nach seinem Abtauchen 1998 zu fassen.

Unterdessen hat die Familie des zehnten Mordopfers, der Polizistin Michele Kiesewetter, bestritten, irgendwelche Kontakte zu einem Mitglied der Neonazi-Zelle gehabt zu haben. Das Bundeskriminalamt hat über solche möglichen Beziehungen zwischen Täter und Opfer spekuliert.