Zum Erhalt der Kolonie tragen die Ameisen ihre Verletzten heim.
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Würzburg/Wien. Ameisen leben in Kolonien, pflegen eine strikte Arbeitsteilung und stechen aufgrund ihres besonders sozialen Verhaltens hervor. Die in Afrika beheimateten Matabele-Ameisen (Megaponera analis) gehen noch einen Schritt weiter: Sie leisten für ihre verletzten Artgenossen nach einer gemeinsamen Termiteneroberung Sanitätsdienst. Wie und aus welchen Gründen das die Insekten tun, beschreibt ein Forscherteam um Erik Frank vom Biozentrum der Universität Würzburg im Fachblatt "Science Advances".
Die besonders im Süden der Sahara weit verbreitete Ameisengattung strömt zwischen zwei bis vier Mal am Tag aus, um Termitenbauten zu überfallen. Aber zuerst machen sich Späher auf den Weg und tasten die Gegend um ihr eigenes Nest bis zu einer Entfernung von 50 Metern systematisch ab. Das kann schon mal mehr als eine Stunde an Zeit in Anspruch nehmen. Ist der Spähtrupp fündig geworden, kehrt er zum Ameisennest zurück, um den Rest der Kolonie für einen Überfall bereit zu machen.
Rettung mit System
Der Schlachtzug kann beginnen: Die größeren Artgenossen führen die zwei bis drei Meter lange Ameisenparade, die aus bis zu 500 Tieren besteht, an und stürmen vor, um die harte Erdkruste des anvisierten Termitenbaus zu knacken. Kleinere Ameisen zwängen sich durch die Löcher, attackieren die Termiten und schleppen ihre Beute aus dem Nest. Für den anspruchsvollen Heimtransport sind wiederum größere Tiere zuständig.
Die Termiten sind allerdings sehr wehrhaft. Die Soldaten unter ihnen besitzen stark gepanzerte Köpfe und kräftige Beißwerkzeuge als ihre wichtigste Waffe. Nicht selten tragen daher die Angreifer Verletzungen davon. Die meisten verlieren Beine im Kampfgetümmel. Doch die Ameisen haben ein Rettungssystem entwickelt, das unter den Insekten einzigartig zu sein scheint.
Wird ein Tier im Kampf verletzt, "ruft" es nach Hilfe, wie die Forscher herausfanden. Aus Drüsen an ihren Beißwerkzeugen sondern die Verwundeten ein markantes Sekret ab, das auf ihre Hilfsbedürftigkeit aufmerksam macht. Die gesunden Ameisen gehen prompt ans Werk und leisten Sanitätsdienst. Sie schleppen mitunter bis zu drei Verwundete zum eigenen Nest zurück, lassen allerdings tote und hoffnungslose Fälle an Ort und Stelle zurück.
Im Nest wartet schließlich chirurgische Hilfe auf die Verletzten. Die ist nötig, denn manchmal verbeißen sich Termiten in den Körpern ihrer Angreifer, die es dann zu entfernen gilt. Im Nest erholen sich die Verwundeten rasch und lernen sehr schnell, auch auf weniger Beinen erfolgreich zu laufen. Pro Raubzug werden fünf bis sechs Ameisen verletzt, schreiben die Forscher. Da die Kolonien der Matabele-Ameisen nur aus ein- bis zweitausend Tieren besteht, können sie sich den Verlust vieler Soldaten bei ihren mehrmals täglich stattfindenden Überfällen auf die Futterstellen der Termiten gar nicht leisten.
32 Prozent Verlustrate
Die Zahl der Verletzten könnte nämlich höher sein, als es die Geburtenrate in der Kolonie ist, die von den Forschern mit rund 13 Tieren angenommen wird. Es lohnt sich also zugunsten der Gruppengröße, das Leben einzelner Kämpfer zu retten - sofern sie nicht hoffnungslos verletzt oder gar schon tot sind.
In Experimenten fanden die Forscher heraus, dass verletzte Ameisen in 32 Prozent der Fälle den Heimweg alleine nicht bewerkstelligen könnten. Ohne diesen Transport und Sanitätsdienst würde die Kolonie demnach regelmäßig schrumpfen. Solch ein Rettungsverhalten ist auch bei Primaten, Elefanten und Delfinen bekannt. Bei Insekten ist dies ein Novum.