US-Ökonom Roubini, Ratingagenturen warnen: Schuldenprobleme sind ungelöst.
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Washington. So einig waren sich Experten selten: Das kann nicht alles gewesen sein. US-Präsident Barack Obama hat zwar am Mittwochabend das Regelwerk unterzeichnet, mit dem der Haushaltsstreit vorläufig beigelegt ist. Der Kompromiss zwischen Demokraten und Republikanern hebt etliche Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen auf, die zu Jahreswechsel automatisch in Kraft getreten waren.
Die USA müssen aber viel mehr tun. Dass die Steuersätze für die reichsten Amerikaner steigen - von bisher 35 auf etwa 41 Prozent (wenn man geringere Abschreibungsmöglichkeiten einrechnet) - reicht bei Weitem nicht aus, um die ausufernden Staatsschulden einzufangen.
"Amerikas Albtraum"
"Die Wahrheit ist: Amerika muss erst aufwachen, um das ganze Ausmaß seines fiskalischen Albtraums zu realisieren", kommentiert US-Starökonom Nouriel Roubini, wegen seiner oft düsteren Prognosen auch "Dr. Doom" genannt, in der "Financial Times". Der Deal, mit dem Steuersenkungen für 98 Prozent aller US-Bürger festgeschrieben wurden, sei ein Pyrrhus-Sieg für Obama - das Budget könne diese Senkungen nicht dauerhaft verkraften.
Momentan rette die Vereinigten Staaten nur, dass sich die Finanzmärkte noch still verhalten. Die USA profitieren dabei von einer Reihe ökonomischer Sonderstellungen. Die Notenbanken halten die Zinsen praktisch bei Null, das Wachstum ist gering, die Inflation niedrig - das macht Anleihen attraktiv: Trotz der Budgetprobleme gelten US-Staatspapiere ("Treasuries") als sicherer Hafen. Die US-Notenbank Federal Reserve flutet den Markt mit billigem Geld. Und: Mit dem Dollar verfügen die USA über die Weltreservewährung schlechthin - China und andere Schwellenländer müssen weiter US-Dollars anhäufen, um die Aufwertung ihrer Währung zu verhindern.
"All das garantiert den USA, dass sie auch die nächsten Jahre ihre Defizite günstig refinanzieren können", sagt Roubini. Irgendwann würden die Investoren die USA aber dafür bestrafen, dass schmerzhafte Entscheidungen über Sparmaßnahmen in Milliardenhöhe wieder einmal nur aufgeschoben wurden.
Weiteres Downgrade droht
Die deutlichste Mahnung sprechen die Ratingagenturen aus: "Das Abkommen bietet keine Grundlage, um die staatliche Schuldenquote auf mittlere Sicht sinnvoll zu verbessern", warnt Moody’s. Man erwarte sich in den kommenden Monaten weitere Fiskalmaßnahmen. Moody‘s gibt den US-Schuldtiteln zwar noch die Bestnote AAA, der negative Ausblick zeigt aber an, dass dieses wackelt: Ohne Reduktion des Defizits ist die Bestnote gefährdet.
Standard&Poor’s hat den USA die beste Kreditwürdigkeit bereits aberkannt - im Sommer 2011, als die Parteien sich im Streit um Sparmaßnahmen nicht über eine Anhebung des gesetzlichen Schuldenlimits einigten und sogar die Gefahr einer Staatspleite heraufbeschworen. Genau dieses Szenario droht sich spätestens Anfang März 2013 zu wiederholen. Dass die Verhandlungen über aufgeschobene Sparmaßnahmen mit jenen über die Schuldengrenze zusammenfallen, macht den Ausgang noch unsicherer, schreibt Moody‘s. Ein Zahlungsausfall bei US-Staatsanleihen sei dennoch "extrem unwahrscheinlich".
Neuer Kongress, alte Lasten
Neben Sparkurs und Schuldengrenze muss sich der neu zusammengesetzte 113. Kongress, der am Donnerstag seine Arbeit aufnahm, mit heiklen Altlasten befassen: von der endlos aufgeschobenen Finanzhilfe für Geschädigte des Tropensturms Sandy über striktere Waffenkontrollen, die Rechte illegaler Einwanderer bis hin zu Agrarsubventionen.
Die Gefahr der Politblockade besteht dabei weiterhin: Die Mehrheitsverhältnisse auf dem Kapitolhügel sind großteils unverändert, der Kongress bleibt geteilt (Grafik): Im Senat haben die Demokraten die Mehrheit, im Abgeordnetenhaus die Republikaner. Ob John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses, seine Funktion behält, ist unklar - der führende Republikaner gilt nach seiner schwachen Vorstellung im Fiskalstreit als angeschlagen.