Nach Jahren der krisenbedingten Zurückhaltung leben viele US-Bürger wieder über ihre Verhältnisse. Auch riskante Schuldner sind willkommen.
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Boston. Das alte und neue Zauberwort auf den amerikanischen Kreditmärkten für Privatpersonen lautet "subprime" - was so viel wie zweitklassig, eigentlich nicht-kreditwürdig bedeutet. Doch das Subprime-Kreditgeschäft ist zurück in den USA. Es werden Autofinanzierungen, Privatkredite und andere Darlehen auch an Personen vergeben, die sich das eigentlich nicht leisten können. Aber es ist viel Geld da, das irgendwie angelegt werden muss, und sei es durch Vergabe von Risikodarlehen.
"Wir gehen von einer mehrjährigen Ära der Kreditklemme in eine der lockeren Geldvergaben über", befindet Gabriel Dalporto, Marketingchef bei Lending Tree, einem Online-Kreditgeber. 6700 Darlehen für Personen mit zu geringer Kreditwürdigkeit hat seine Firma vergangenes Jahr untergebracht, eine Steigerung von 716 Prozent gegenüber 2013.
Der US-amerikanischen Industrie haben die Subprime-Kredite geholfen. Noch vor wenigen Jahren lag sie am Boden, etwa die Autobauer von Detroit. Im vergangenen Jahr haben die Autobauer laut dem Onlineportal Edmunds.com wieder 16,5 Millionen Fahrzeuge verkauft, 60 Prozent mehr als im Krisenjahr 2009. Nach Angaben von Experian Automotive schulden die Amerikaner heute die Rekordsumme von 866 Milliarden Dollar (763 Milliarden Euro) an Autokrediten.
Während sich manche Branche über mehr Umsatz durch leichte Kredite freut, ziehen andere rote Warnflaggen hoch. Die leichtfertige Vergabe von zweitklassigen Hypotheken, die 2008 zur Implosion von Wall Street nach dem Platzen der Immobilienblase geführt hatten, wurde durch die Neuordnung der einschlägigen Regulierungen unter Kontrolle gebracht, möchte man meinen. Doch eine ähnliche Blase scheint sich erneut zu bilden, warnt Finanzwissenschafter Professor Amir Sufi von der University of Chicago. "Es ist alles gut, solange die Party geht. Aber das setzt genau die Art von Leuten der Gefahr eines negativen wirtschaftlichen Schocks aus, bei denen man das nicht wünscht."
40 Prozent der Autokredite sind potenziell faul
Banken und andere Kreditgeber haben in den ersten elf Monaten des Jahres 2014 den zweitklassigen Schuldnern rund 40 Prozent ihrer Autodarlehen, Konsumkredite und Kreditkartenbelastungen finanziert, schreibt das "Wall Street Journal" unter Berufung auf den Kreditwächter Equifax. Das warfen 50 Millionen Kredite mit einem Volumen von 189 Milliarden Dollar. Es handelt sich damit um den höchsten Stand seit 2007.
Dem Bericht des "Wall Street Journal" vorausgegangen war eine Studie der Federal Reserve Bank von New York. Danach ist die Gesamtverschuldung amerikanischer Haushalte im vierten Quartal 2014 um 306 Milliarden Dollar gewachsen. Das sind 2,7 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die New Yorker Fed wies darauf hin, dass die neuen Schuldner ihre Kredite häufig noch ausweiten. Risikokapitalgeber und Hedgefunds suchen hohe Rendite für ihr Geld. Sie schnüren die neuen Subprime-Kredite oft zu Paketen und verkaufen diese an andere Investoren - genau so, wie es vor dem Einbruch der Wall Street mit den toxischen Hypothekenpaketen vor sieben Jahren geschehen war.
Finanzfirmen wie Santander Consumer, eine Tochter der spanischen Santander Bank, die Kreditabteilung GM Financial des Autobauers General Motors oder Exeter Finance, eine Abteilung des Investmenthauses Blackstone, haben in den vergangenen fünf Jahren 20,2 Milliarden Dollar an Autokreditversicherungen gebündelt, berichtet Thomson Reuters. Der New Yorker US-Bezirksstaatsanwalt Preet Bharara leitete vergangenes Jahr Ermittlungen wegen des Verdachts ein, dass diese Firmen wissentlich Darlehen an Kunden gegeben hätten, die ihre Einkommen und Arbeitsverhältnisse gefälscht hatten. Nach Erhebungen der Federal Reserve sind 3,5 Prozent aller vergebenen Autokredite überfällig. Die dubiosen Methoden bei der Kreditvergabe wecken bei vielen Erinnerungen an die Krise am Immobilienmarkt. Als die Blase am Häusermarkt platzte, zog sie eine gigantische Pleitewelle nach sich.