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Amerikanische und andere Freunde

Von Helmut Dité, Pustevny

Wirtschaft

Edis Grinsen wird breiter und breiter: Jetzt zieht er schon den zweiten Japaner aus dem Schlamm. Je tiefer die Löcher, desto mehr Respekt erwirbt sich sein guter alter Land Rover Defender bei den Off-Road-Kollegen mit den blitznagelneuen Pajeros, Toyotas, Mazdas und wie sie alle heißen. Auch die Razorbacks aus Wien, Jeep-Enthusiasten mit mordstrumm Radln an den offenen Wagen, öffnen ihr großes Herz und werfen sich unerschrocken in den Gatsch, um zu helfen. Roland Firtingers Allrad-Truppe ist in den Wäldern der Mährischen Beskiden auch heuer wieder zu großer Form aufgelaufen. Ein Urlaub abseits geebneter Wege.


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Zum 13. Mal bereits hat Firtinger, Motorjournalist, Rallyefahrer, Fan der amerikanischen Nascar-Serie den wohl größten Geländewagentest der Welt organisiert: 41 Allradgetriebene Autos und 66 Leute mit Benzin im Blut sind es heuer gewesen, in den sanften Hügeln der Beskiden, westlich von Ostrava, im Nordosteck der tschechischen Republik. Eine Woche lang wurden die neuen Geländewagen und SUV´s der meisten Marken auf Federn und Stoßdämpfer getestet. Über Stock und Stein, feuchte Wiesenhänge, auf Forststraßen, die sonst nicht zugänglich sind, in einem riesigen Steinbruch und im werkseigenen Testgelände der traditionsreichen Tatra-Autofabrik - einem der größten seiner Art in der Welt.

Da erholen sich auch zahlreiche Privatpiloten mit ihren eigenen Allradvehikeln vom spöttischen Vorwurf so manches nur Zweirad-Getriebenen Automobilisten, sie hätten ihren geländegängigen Untersatz ja ohnehin nur, um beim Einparken eleganter über die Gehsteigkanten rumpeln zu können. Da lernt man das Geländefahren - von der Grundregel "immer langsam, immer easy" angefangen - bis hin zu Feinheiten wie der "Himmelsstiege" im Steinbruch oder zur 45-%-Steigung im Tatra-Testgelände, wo dann so Begriffe wie "maximaler Böschungswinkel" plötzlich ganz anschaulich mit Sinn und Inhalt erfüllt werden.

Da schau her, dachte auch mancher auf der so genannten Verwindungsbahn, einer der Marterstrecken im Tatra-Gelände. Da schau her, da hebt er doch das Hinterrad. Oder rutscht ein bisschen hinunter, hinten, beim Rollen auf der 45-Grad geneigten Schrägfahrbahn mit Kopfsteinpflaster. Ich hatte Chevrolets neuen Trailblazer, ein wahrhaft amerikanischer Freund (siehe unten). Wir rollten überall rauf und runter, automatisch, gelassen. So kann jeder Geländefahren und muss nur aufpassen dass er nicht aus dem Fenster fällt oder ein nicht angeschnallter Fonds passagier plötzlich zwischen den Kopfstützen nach vorne kugelt, wenn es die fast 60-Prozent-Schottergefälle des "stairway to heaven" wieder runter geht. Oder andere solche mit Benzin geschriebenen Geschichten halt, die sich die Offroader dann am Abend, heimgekehrt ins Berghotel "Tanicnica", an der Bar erzählen - nachdem man schon beim ausführlichen Autowaschen - besser: Schlammbaggern - Erfahrungen austauschen konnte. Warum unser Hügel "Tänzerin" heißt, konnte man uns nicht genau erklären, eine Art Zauberberg ist er jedenfalls, oben nach 12 Kilometer Märchenwald-Forststraße mit dem 20er-Jahre-Hotelbau drauf, unten Steine, oben schindelverkleidete Fassade, und grünes Blechdach mit spitzen Türmen und Gauben und Giebeln.

Da wird dann heiß diskutiert, warum ausgerechnet der Instruktor, "Crew-Chief" genannt, es geschafft hat, einen Pajero so auf die Seite zu legen, dass er keinen Zentimeter mehr gerutscht ist. Kein Kratzer am Wagen, nur Knitterfalten halt. Und keine Fensterscheiben mehr. Wenig Bruch wird insgesamt gebaut, alle gehen verantwortungsvoll mit den Pferden um. Ein richtiger Offroader ist ja schließlich kein Dünenhüpfer.

Ernsthafte technische Diskussionen werden geführt: Leiterrahmen und Starrachse, schwören die einen, alles andere ist Pipifax für Touristen. Aber, he, der neue Range Rover oder der Trailblazer - alles automatisch, auf Knöpfchendruck - und wo sind wir, bitte, mit denen nicht durchgekommen? Na gut, die Walddurchfahrt oben im Tatra-Gelände, mit den Hinkelsteinen mitten in den Spurrinnen, mit Löchern, in denen auch größere Hunde grußlos verschwinden würden, da haben wir einen Bogen drum gemacht. Da sollen sie weiterhin ihre Lastautos testen, da haben sie auch jenen getestet, mit dem sie 1988 die Paris-Dakar-LKW-Rallye gewonnen haben. Unsere Kollegen.

66 Leute unterschiedlichster Bauart hatten eine schöne Woche. Freunde, von 21. bis 28. Juni 2003 sind wir wieder dabei. Gut, dass ein paar Mechaniker darunter waren, Fernfahrer und andere Profis. Aber auch das ältere Linzer Ehepaar mit Schoßhund, das seinen großen Gelände-Nissan-Patrol sonst nur zum Ziehen des Bootsanhängers braucht, wenn es zum geruhsamen Urlaub nach Grado aufbricht, weiß jetzt, was sein Auto kann.