Die Entscheidung über den nächsten Präsidenten des Verfassungsgerichtshofs wird Teil der kommenden Regierungsbildung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 7 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Kaum sind der Verfassungsgerichtshof (VfGH) und sein Präsident durch die Ereignisse des vergangenen Jahres auch einer breiten Bevölkerungsschicht bekannt geworden, schon stehen dort massive personelle Veränderungen ins Haus. Die Nachfolge von Gerhart Holzinger als VfGH-Präsident droht im Gefolge der Regierungsbildung im Herbst gar zu einem Drama nach US-Vorbild zu verkommen.
Prinzipiell endet die Amtszeit österreichischer Verfassungsrichter mit Ablauf jenes Jahres, in dem sie ihr 70. Lebensjahr vollendet haben. 2017 betrifft das Holzinger sowie zwei weitere Richter. Mitglieder und Ersatzmitglieder des VfGH werden vom Bundespräsidenten ernannt. Einen Teil schlägt die Bundesregierung vor, einen weiteren Teil der Nationalrat und der Bundesrat. Bei den noch heuer anstehenden Neubesetzungen sind nun alle drei gefragt: Der neue VfGH-Präsident ist von der Bundesregierung vorzuschlagen, ein Richter vom Nationalrat, ein weiterer vom Bundesrat. Da es sich dabei um langfristige Weichenstellungen handelt, werden die Vorschläge wohl oder übel auch Teil der kommenden Regierungsverhandlungen sein.
Es gibt aktuell kein einziges aktives VfGH-Mitglied, das nicht von SPÖ oder ÖVP nominiert wurde - das könnte sich nun ändern. Und mit den anstehenden Entscheidungen können möglicherweise für Jahrzehnte Positionen quasi zementiert werden. Nach den Erfahrungen und den Diskussionen rund um die Anfechtung und Aufhebung der Bundespräsidentenwahl 2016 stellt dies zusätzlich eine Frage von zentraler politischer Bedeutung dar.
Ein besonderes Politikum droht die Entscheidung über den VfGH-Präsidenten zu werden. Nach der öffentlichen Scheidung der Koalitionspartner ist kaum zu erwarten, dass man sich noch schnell auf einen sowohl der SPÖ als auch der ÖVP genehmen Kandidaten einigt. Nach der Wahl am 15. Oktober beginnt das Taktieren um die Zusammensetzung der nächsten Regierung, und da ist dann wohl die Stelle des Präsidenten ein willkommener zusätzlicher Posten im anstehenden Besetzungskarussell. Egal, wie die Entscheidung am Ende ausfällt - der neue Präsident wird sein Amt als "politische Person" antreten und mit diesem Nimbus arbeiten müssen.
Die zweite zu besetzende Stelle hat der Nationalrat vorzuschlagen. Auch dies wird wohl erst nach der Wahl im Oktober erfolgen. Angesichts der bekanntlich großzügigen Konstituierungsfristen ist dies allein terminlich eine Herausforderung. Wann, wie und ob überhaupt eine Enquete dazu stattfinden kann, ist unklar. Auch diese Stelle wird in den Postenschacher rund um die Neubildung einer Bundesregierung hineingezogen. Der dritte Vorschlag schließlich aus dem Bundesrat wäre formal einfacher zu erstellen, wird aber wohl auch ins Spiel um Geben und Nehmen einfließen.
Neben dem Bundespräsidenten, der die Verfassungsrichter ernennt, sind die politische Öffentlichkeit und schließlich jeder Bürger gefragt, die kommenden Entscheidungen genau zu verfolgen und nötigenfalls zu hinterfragen. Transparenz muss eingefordert werden, damit das Höchstgericht nicht zur Spielwiese personeller Entscheidungen von Parteizentralen wird oder sich gar Dramen wie im US-Senat abspielen.