Viele Akteure im Nahen Osten glauben, dass Obama ein schwacher Präsident ist. Das Überschreiten der roten Linie muss aber Konsequenzen haben.
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Wie sieht die Welt aus, wenn Menschen beginnen, an der Glaubwürdigkeit der Macht der USA zu zweifeln? In den letzten Wochen wurde offensichtlich, dass US-Präsident Barack Obama, dessen zurückhaltende und realistische Außenpolitik ich im Großen und Ganzen schätze, zeigen muss, dass es Konsequenzen hat, wenn die rote Linie überschritten wird. Sonst beginnt sich der Zusammenhalt des globalen Systems aufzulösen. Rund um die Welt kann man sehen, wie skrupellose Führer versuchen, Obamas Bemühen auszunutzen, die USA aus den Tumulten im Nahen Osten herauszuhalten.
Der Hauptgrund für eine Militäraktion der USA und ihrer Verbündeten sollte die Abschreckung sein, chemische Waffen einzusetzen. Der Angriff sollte begrenzt und fokussiert sein, nicht ein Rundumschlag mit dem Ziel, den syrischen Bürgerkrieg zu beenden. Aber er sollte stark genug sein, Assads Kommando- und Kontrollgefüge zu schwächen, damit er solche Aktionen in Zukunft nicht mehr durchführen kann. US-Regierungsbeamte hoffen, dass ein Angriff eine diplomatische Einigung erleichtern wird.
Ein zweites Beispiel des gefährlichen Opportunismus, den Obama unabsichtlich begünstigt hat, ist (neben Assad) das des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er ist ein kampflustiger Ex-KGB-Offizier, der entschlossen scheint, unseren vernünftigen, zurückhaltenden Präsidenten und die kriegsmüde Nation, die er repräsentiert, übervorteilen zu wollen. Eine Zeit lang war Putins Empfindlichkeit nur ärgerlich. Aber wenn er über den Einsatz chemischer Waffen in Syrien hinwegsieht, untergräbt er eine Regel der globalen politischen Ordnung.
Putin wird versuchen, die Aktivität der USA ebenso auszunutzen, wie er ihre Inaktivität ausgenutzt hat.
Im Februar sprachen US-Vizepräsident Joe Biden und der russische Außenminister Sergej Lavrov in München miteinander über das gemeinsame Interesse, Syriens chemische Waffen unter Kontrolle zu bringen. Das Verhalten Russlands seither war egozentrisch und einfältig, und ich glaube, dass es langfristig teuer zu stehen kommen wird, indem es mehr Aufruhr in die Region bringt.
Obama muss seinen Militärschlag in Syrien mit Blick auf zwei andere Akteure der Region ausrichten, den Iran und Saudi-Arabien. Die Iraner haben Obamas Vorsicht zu Recht als Zeichen interpretiert, einen weiteren Krieg im Nahen Osten vermeiden zu wollen. Bedauerlicherweise macht - wie uns die Geschichte lehrt - eine ehrgeizige Nation wie der Iran Kompromisse nur unter Druck.
Ägyptische Generäle, saudische Prinzen, israelische Politiker und andere konservative Akteure des Nahen Ostens scheinen sich darin einig zu sein, dass Obama ein schwacher Präsident ist und dass sie in Sachen Sicherheit auf sich selbst angewiesen sind. Daran wird Obama durch das Billigen eines Vergeltungsschlags gegen Syrien nichts ändern. Aber wenn er vernünftig und in Abstimmung mit den Verbündeten vorgeht, wird er die Menschen zumindest daran erinnern, dass die Militärmacht der USA ernst zu nehmen ist.
Übersetzung: Redaktion