Zum Hauptinhalt springen

Amnestie namens "Schwamm drüber"

Von Wolfgang Zaunbauer

Politik

Wer erwischt wird, kann Pfleger rückwirkend anmelden. | Beide Seiten loben Rechtssicherheit. | Wien. Eigentlich war die Regierung zum Abschluss ihrer zweitägigen Klausur am Freitag beim Bundespräsidenten zum Mittagessen eingeladen. Doch Heinz Fischer musste die Suppe wohl oder übel warm stellen, denn die große Koalition machte Überstunden. Mit 90 Minuten Verspätung traten schließlich Kanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer vor die Presse.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Dabei wurde schnell deutlich, wer in den Verhandlungen die Oberhand behalten hatte. Konnten sich Tags zuvor die Sozialdemokraten mit dem Lehrlingspaket als klare Sieger fühlen, war es am Freitag Molterer, der lachte. Die ÖVP konnte sich im Pflege-Streit durchsetzen, die Verlängerung der Amnestie bis Ende Juni ist da. Auch wenn sich der Kanzler beeilte festzustellen, dass es sich bei der gefundenen Lösung keineswegs um eine Amnestie handle.

Und irgendwie hat er damit sogar recht: Die Amnestie, die am 31. Dezember ausgelaufen war, schützte die Betroffenen bei illegaler Pflege nur vor allfälligen Verwaltungsstrafen. Die jetzige "Schwamm-drüber-Aktion" (Gusenbauer) geht ein ganzes Stück weiter: Bei der neuen Regelung verzichtet die Republik neben Verwaltungsstrafen auch auf sämtliche sozialversicherungs-, arbeits- und steuerrechtlichen Nachforderungen bis Ende 2007, wenn sich die illegalen Pflegekräfte bis spätestens 30. Juni 2008 anmelden (rückwirkend mit 1. Jänner). Auch wer beim illegalen Pflegen erwischt wird, kann sich bis Ende Juni rückwirkend anmelden.

Die Bundesregierung hat sich somit auf eine Amnestie geeinigt, die wesentlich umfangreicher ist als die ausgelaufene, aber nicht Amnestie genannt werden soll. Dass die SPÖ dabei auf die Linie des Koalitionspartners umgeschwenkt ist, dürfte recht kurzfristig erfolgt sein. Noch Freitagfrüh hatte sich Gusenbauer im Ö1-"Morgenjournal" gegen die Amnestieverlängerung ausgesprochen, da diese keinen Sinn mache.

Pflege-Streit ist für Kanzler somit beendet

Gusenbauer begründete den Rückforderungsverzicht (so die offizielle Bezeichnung der Amnestie) mit der Unsicherheit der Menschen, was eventuelle Forderungen von Steuer und Sozialversicherung betrifft. Dieses Problem löse man am besten "indem man sagt: Freunde, Schwamm drüber". Mit der neuen Regelung hofft der Kanzler den Pflege-Streit in der Regierung endgültig beendet zu haben.

Sichtlich zufrieden mit der Einigung war der Vizekanzler, auch wenn er seine Freude darüber zu verhehlen suchte. "Wer sich anmeldet, hat aus der Vergangenheit nichts zu befürchten, weil er sich legal in die Zukunft bewegt", sagte Molterer. Eine "Aktion scharf" im Pflegebereich nach dem 1. Juli schloss der ÖVP-Chef aus.

Kaum hatten Kanzler und Vizekanzler am Mittagstisch des Bundespräsidenten Platz genommen, setzte die Aussendungsmaschinerie der Parteizentralen ein. Beide Regierungsparteien versuchten, den Erfolg der Pflege-Einigung für sich zu verbuchen. Einig war man sich in der Zufriedenheit darüber, Rechtssicherheit für die Betroffenen geschaffen zu haben.

Weit vorsichtiger beurteilen die Grünen die Einigung, die kommende Woche im Parlament beschlossen wird. Er sei skeptisch, ob der Rückforderungsverzicht verfassungsrechtlich haltbar sei, meinte Sozialsprecher Karl Öllinger.

Für das BZÖ hat Gusenbauer mit der Einigung dem Sozialminister Erwin Buchinger (stets ein Gegner der Amnestieverlängerung) öffentlich "eine ordentliche Watsche verpasst".