SPD, Grüne und FDP wollen Kohlemeiler bereits 2030 schließen. Am Mittwoch wird der Koalitionsvertrag vorgestellt.
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Die Fehler der Vergangenheit wollten Grüne und FDP unbedingt vermeiden. Als beide Parteien vor vier Jahren mit der konservativen Union über eine Koalition verhandelten, wurden inhaltliche Dissonanzen und persönliche Animositäten ständig Medien zugespielt. Dementsprechend passte sich das Gesprächsklima den spätherbstlichen Temperaturen an. Nun zimmern Öko-Partei und Liberale gemeinsam mit der SPD an der ersten sogenannten Ampel-Koalition auf Bundesebene in Deutschland. Nur wenig dringt diesmal nach draußen. Für Mittwochnachmittag ist eine Pressekonferenz angesetzt, wahrscheinlich wird bereits dann der Koalitionsvertrag präsentiert. Die Zeit drängt, denn in der übernächsten Woche soll Olaf Scholz (SPD) im Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Zuvor gilt es noch, das Ja zum Koalitionsvertrag bei den Mitgliedern (Grüne) und im Fall der Sozialdemokraten auf einem Parteitag einzuholen.
Kein Zweifel besteht, dass diese Mehrheiten zustandekommen. Die SPD wird es nicht nehmen lassen, nach 16 Jahren Wartezeit wieder den Kanzler zu stellen. Die grünen Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck streben die Regierungsbeteiligung seit Jahren an. Die lautesten Gegenstimmen kamen aus der FDP: Einige fremdeln mit einem Bündnis mit zwei Mitte-links-Kräften, auch Parteichef Christian Lindner ist kein großer Ampel-Anhänger. Nochmals, wie im Jahr 2017, kann er aber Verhandlungen nicht platzen lassen. Scholz frohlockt derweil: "Da wächst zusammen, was zusammenpasst" - die "Ampel" als Analogie zu Willy Brandts berühmten Worten nach dem Mauerfall, jetzt wachse zusammen, was zusammengehöre.
Weit weniger begeisterte Einblicke gab Baerbock: "Wir hatten die Nase auch mal richtig voll, weil wir das Gefühl hatten, für den Klimaschutz sind nur die Grünen verantwortlich." Vor rund zwei Wochen brachen die Verhandler kurzfristig ihr öffentliches Schweigen, Frust bei der Öko-Partei, trat zutage, weil sie von SPD und FDP in Arbeitsgruppen vermeintlich ständig überstimmt würden. Die anderen Verhandlungspartner bemängelten die angeblich schlechte Vorbereitung und Wissenslücken bei den Grünen. Mittlerweile tragen die drei Parteien Kritik wieder hinter den Medienkulissen aus. Baerbock stimmt versöhnliche Töne an, dass die Koalition "einen wirklichen Aufbruch" in einigen Bereichen bringe.
Aufgewertetes Klimaministerium
Wie konkret dieser aussieht, etwa bei Klimaschutz und Digitalisierung, bleibt derweil oft unklar. Verdichtet haben sich zuletzt aber immerhin die Hinweise auf einen früheren Kohleausstieg. So soll laut der Nachrichtenagentur Reuters, die sich am Dienstag auf "an den Gesprächen Beteiligte" berief, der letzte Kohlemeiler nun schon 2030 und damit acht Jahre früher als bisher geplant vom Netz. Damit wäre ein Kernanliegen der Grünen erfüllt, die dem Vernehmen nach auch ein aufgewertetes Klimaministerium erhalten.
Wie die sonstigen Ressortkompetenzen aufgeteilt sind und wer welches Ministerium anführt, ist bisher nicht publik geworden. FDP-Chef Lindner soll auf das Finanzministerium schielen - dem Vernehmen nach mit Erfolg. Bei der SPD steht außer Kanzler Scholz bisher nur Hubertus Heil fest, der bereits in der schwarz-roten Koalition Arbeitsminister war.
Diese Regierung ist derzeit noch geschäftsführend im Amt. Ausgerechnet in der vierten Corona-Welle herrscht ein Entscheidungsvakuum: Noch-Kanzlerin Angela Merkel kann keine weitreichenden Beschlüsse mehr fassen, und die "Ampel"-Parteien haben allzu lange Regierungsverhandlungen anstatt des Pandemiemanagements im Blick gehabt.
In einer Frage waren sich Rot, Grün und Gelb zwar früh einig: Die von Union und SPD beschlossene "epidemische Lage von nationaler Tragweite" soll gesetzlich geplant diesen Donnerstag enden. Damit sollten zeitweilig an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gegangene Kompetenzen auf den Bundestag rückübertragen werden, darunter auch die Beschaffung von Impfstoffen. Allerdings waren gravierende Einschnitte wie Ausgangsbeschränkungen an die epidemische Lage gekoppelt. Da diese zum Ärger von CDU/CSU wegfällt, sind Schulschließungen zwar möglich, aber nicht mehr flächendeckend.
Kommt die Impfpflicht?
Angesichts der wie in Österreich zu geringen Corona-Impfquote steigt auch in Deutschland die Zahl der Infizierten und Hospitalisierten stark. Der grüne Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen rechnet bereits mit regionalen Lockdowns in Sachsen und Bayern, auch über eine Impfpflicht wird diskutiert. Im von den "Ampel"-Parteien kürzlich im Bundestag beschlossenen Infektionsschutzgesetz ist eine Evaluierung bis 9. Dezember vorgesehen. Gut möglich, dass in der Woche von Scholz’ Angelobung der Kanzler härtere Covid-Maßnahmen verkünden muss.