Bei den Sondierungen mit FDP und Grünen wird die SPD auf ein Entgelt von 12 Euro pro Stunde pochen.
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Der Wahlsieger war auch der Erste am Verhandlungsort. Bereits in der Früh traf SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz am Donnerstag in einer Berliner Messehalle ein. Um elf Uhr startete dort die erste gemeinsame Sondierungsrunde der Sozialdemokraten mit Grünen und FDP, nachdem sich zuvor nur die Vertreter von jeweils zwei Gruppierungen ausgetauscht hatten. In den kommenden Tagen will das Parteientrio herausfinden, ob die Gemeinsamkeiten für Verhandlungen zur Bildung der ersten deutschen Ampelkoalition im Bund ausreichen. Nach einer ersten gemeinsamen Runde aller drei Parteien am Donnertag in Berlin, sei aufgrund des "guten Gesprächs" verabredet worden, dass es an diesem Montag weitergehe. Das Wochenende solle genutzt werden, "um eine intensive Woche der Sondierungen vorzubereiten".
Ein großes Wahlversprechen muss die SPD einlösen: die Anhebung des Mindestlohns von 9,60 auf 12 Euro pro Stunde. Dieses Ziel formulierte Scholz im Bundestagswahlkampf klipp und klar, während er bei vielen anderen Themen lavierte. Mit den Grünen gibt es keine Schwierigkeiten, auch sie stehen für 12 Euro Stundenlohn ein, und zwar mit sofortiger Wirkung. Rot und Grün stoßen aber auf Widerstand der wirtschaftsliberalen FDP.
Derzeit setzt die Mindestlohnkommission - ein aus Vertretern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern besetztes Gremium - die Lohnhöhe unter Maßgabe der allgemeinen Lohnentwicklung fest. Ab Jahresbeginn beträgt der Mindestlohn 9,82 Euro, mit Juli 2022 sind es 10,45 Euro pro Stunde. Mit dem bisherigen Verfahren stünde somit noch ein weiter Weg bevor, bis die 12-Euro-Marke erreicht wird.
Im Wissen um die Kräfteverhältnisse und die zentrale Rolle der Frage für die SPD wird die FDP den Mindestlohn kaum zum Koalitions-Stolperstein machen. Auch die Sozialdemokraten scheinen der FDP ein Stück entgegenzukommen: Ihnen zufolge soll die Mindestlohnkommission künftig die Erhöhungen an dem Ziel von 12 Euro Stunden koppeln anstatt der allgemeinen Lohnentwicklung, berichtete die "Augsburger Allgemeine". Auf diese Weise würden künftige Lohnerhöhungen nicht direkt von Politikern der Koalitionsparteien festgelegt, sondern durch die Kommission. Damit könnten sich die Liberalen arrangieren, hofft die SPD.
"Rote Linie" bei Steuern
Womöglich müssen die Genossen dafür bei den geplanten Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen zurückstecken. Auch hier verläuft die Trennlinie zwischen Rot-Grün und Gelb. Die FDP ist strikt gegen die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und möchte auch hohe Einkommen entlasten. Generalsekretär Volker Wissing sprach in diesem Zusammenhang sogar von "roten Linien" für die Freien Demokraten: "Wir werden an dieser Stelle nicht nachgeben."
Setzt die FDP ihre gewünschten Erleichterungen vollauf durch, würde der Bund knapp 88 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen pro Jahr lukrieren. Wohlsituierten Familien mit einem Bruttoeinkommen von 300.000 Euro pro Jahr und zwei Kindern würden dafür 18.000 Euro mehr pro Jahr bleiben. Umgekehrt blieben jenen Spitzenverdienen knapp 13.000 Euro weniger, würden die Pläne von SPD und Grünen verwirklicht. Insgesamt erhielte der Bund 14 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen nach dem sozialdemokratischen Konzept, bei dem der Grünen wären es 18 Milliarden Euro.
Weit auseinander liegen die Parteien in der Klimapolitik nicht nur bei den Vorschlägen, sondern auch bei den ideologischen Zugängen. Die Grünen drängen auf Verbote wie dem Verkaufsstopp von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2030. Ab jenem Jahr soll auch die Verbrennung von Kohle zur Stromerzeugung verboten werden, nicht erst ab 2038. Die Freien Demokraten setzen auf Klima-Fortschritt durch neue Technologien und möglichst wenig Regulierung. Am Markt soll sich auch der Preis beim Emissionshandel bilden, fordern die Liberalen. Die Grünen hingegen wollen einen nationalen CO2-Mindestpreis von 60 Euro pro Tonne. Eine Parallele zwischen den drei Parteien gibt es aber: Sie wollen die Umlage zum Ausbau der erneuerbaren Energien senken, damit die Strompreise für Verbraucher sinken, SPD und FDP wünschen gar die Abschaffung der Umlage.