Genetisch bedingter Brustkrebs könnte mittels Antikörpern weitgehend verhindert werden.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Im Jahr 2013 hatte die US-Schauspielerin Angelina Jolie für besonderes Aufsehen gesorgt. Aufgrund einer Mutation des Gens BRCA1 (BReast CAncer) hatte sie sich dazu entschlossen, als Präventionsmaßnahme beide Brüste entfernen zu lassen und dies auch öffentlich kundzutun. Zwei Jahre später erfolgte die Entnahme beider Eierstöcke.
Frauen mit einer familiär erworbenen Mutation dieses Gens haben ein um bis zu mehr als 80 Prozent erhöhtes Risiko, im Laufe ihres Lebens - zumeist schon in frühen Jahren - an Brustkrebs zu erkranken. Das Risiko, ein Ovarialkarzinom zu entwickeln, ist bei Mutationsträgerinnen um rund 44 Prozent erhöht. Entschließt sich eine Frau zur Entfernung der Brüste und Eierstöcke, reduziert sich das Erkrankungsrisiko erheblich - beim Mammakarzinom um 95, beim Eierstockkrebs um 80 Prozent.
Jolie ist nicht die einzige Betroffene, die zu solch radikalen Maßnahmen gegriffen hat. Immer wieder unterziehen sich Mutationsträgerinnen einer Mastektomie (Entfernung der Brust) oder einer Ovarektomie (Entfernung des Eierstocks) - auch in Österreich. Es sind zumeist Frauen, die sich aufgrund der durch Krebs geprägten Familiengeschichte für diesen Weg entscheiden.
Zwei Proteine im Blickpunkt
Eine junge Wissenschafterin am Institut für Molekulare Biotechnologie (Imba) in Wien hat nun herausgefunden, wie sich genetisch bedingter Brustkrebs weitgehend verhindern lässt - und das ohne radikale Einschnitte. Ihre Forschungen könnten den Weg für das erste Brustkrebs-Präventionsmedikament ebnen.
BRCA1 und BRCA2 gehören zur Gruppe der sogenannten tumorunterdrückenden Gene, deren Aufgabe es ist, die Zelle vor ungebremster Vermehrung zu schützen. Sind die Gene in der Zelle verändert, kann Krebs entstehen. In Österreich ist etwa eine von 500 Frauen Trägerin einer solchen Erbgutveränderung.
Im Blickpunkt der Forschung standen zwei Proteine des Knochenstoffwechsels - RANK und RANKL. Diese übersetzen die Information von Sexualhormonen und senden den Brustzellen ein Signal, das diese zum Wachstum anregt. Dies passiert bei jeder Frau in der Schwangerschaft und während des Menstruationszyklus. Bei überschießendem Signal kann es allerdings zu einem unkontrollierten Wuchern der Brustzellen kommen. Diese Entdeckung hatte eine Imba-Gruppe um den Genetiker Josef Penninger im Jahr 2010 gemacht.
Die aus dieser Forschungsgruppe stammende Verena Sigl konnte nun an Mäusen nachweisen, dass RANKL auch bei genetisch bedingtem Brustkrebs durch ein mutiertes BRCA1-Gen der entscheidende Faktor für das Ausbrechen von Krebs ist, wie das Imba mitteilte.
Um die Übertragbarkeit ihrer Ergebnisse auf den Menschen zu überprüfen, isolierten die Wissenschafter - gemeinsam mit Forschern der MedUni Wien und aus Toronto - Brustgewebezellen von Frauen, die sich aufgrund ihrer BRCA1-Mutation einer präventiven Brustamputation unterzogen hatten. Wurde RANK blockiert, zeigte sich auch in der menschlichen Zellkultur eine starke Verminderung des Wachstums der Brustgewebezellen.
Medikament verfügbar
"Unsere Erkenntnis ist auch deshalb so spannend, weil es bereits ein Medikament gegen RANKL auf dem Markt gibt. Es ist ein Antikörper mit sehr geringen Nebenwirkungen, der fest an das Protein bindet und dadurch seine Aktionsfähigkeit hemmt", beschreibt Verena Sigl. Derzeit kommt das Medikament - Denosumab - bei Knochenmetastasen und Osteoporose zum Einsatz.
Wissenschafter an der Universität Baltimore in den USA haben den präventiven Einsatz von Denosumab schon erfolgreich bei Mäusen getestet. "Eine Brustkrebs-Prävention könnte möglich sein", urteilt Penninger. Als nächster Schritt soll in klinischen Studien die Wirksamkeit beim Menschen bestätigt werden. Da RANK und RANKL auch in Sexualhormon-abhängigem Brustkrebs eine kritische Rolle spiele, könnte sich ein noch breiteres Anwendungsspektrum ergeben, so Penninger.
Unter diesem Aspekt wären nicht nur schwerwiegende Eingriffe wie die oben genannten vermeidbar, sondern wäre auch der Krebsprävention im Allgemeinen Tür und Tor geöffnet. BRCA1-Mutationen stellen auch einen Risikofaktor für Darm-, Bauchspeicheldrüsen- und Prostatakrebs dar. Das Anwendungsspektrum könnte sich demnach in den nächsten Jahren weiter verbreitern.