Syrer und Iraner sind am besten ausgebildet.
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Wien. Im letzten Jahr stellten laut den jüngsten Daten des Innenministeriums 90.000 Flüchtlinge einen Asylantrag in Österreich. Sie heißen Hozan, Mohammad, Naim, oder Reen und kommen überwiegend aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und dem Iran, wo sie mehrheitlich vor Krieg flohen oder vor politischer Verfolgung. Aber was wissen wir über diese Menschen, die in Österreich Schutz suchen, eigentlich?
Bisher waren Flüchtlinge nichts als Zahlen, die täglich über die Grenze wanderten. In Medienberichten bekamen sie zwar Namen und erzählten ihre Geschichte. Welchen Bildungsstand diese Menschen mitbringen und welche beruflichen Qualifikationen, darüber gab es bisher nur Mutmaßungen, aber keine validen Daten.
Afghanen mit Aufholbedarf
Um diese in die Debatte einfließen zu lassen, hat das AMS von Ende August bis Mitte Dezember 2015 einen Kompetenz-Check bei rund 900 Flüchtlingen durchgeführt. Dabei wurden die Qualifikationen der Flüchtlinge eruiert und anschließend in der Praxis überprüft. 30 Prozent der Flüchtlinge haben bisher entsprechende Zertifikate als Nachweis eingereicht. Bei der Erhebung geht es um das Qualifikationsniveau der Flüchtlinge, das mit der heimischen Ausbildung verglichen wird.
AMS-Chef Johannes Kopf ist bezüglich der Integration der anerkannten Flüchtlinge "vorsichtig optimistisch", vor allem was die Ergebnisse der Syrer und Iraner betrifft, die einen vergleichbar hohen Bildungsgrad mitbringen. Rund 90 Prozent der Teilnehmer am Kompetenz-Check aus dem Iran haben eine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung, bei Syrern sind es immerhin fast 70 Prozent. Unter den Syrern ist der Anteil an Maturanten und Akademikern laut den AMS-Daten sogar höher als in Österreich. "Zu glauben, dass die Integration deswegen leichter wird, wäre dennoch ein Fehler", sagte AMS-Chef Kopf.
Schließlich sprechen auch gut gebildete Flüchtlinge nicht auf Anhieb die Sprache, auch fehlen ihnen die beruflichen Netzwerke. Hinzu kommt die an sich schon angespannte Situation am heimischen Arbeitsmarkt und der Umstand, dass laut Kopf viele Flüchtlinge traumatisiert sind und damit eine psychische Begleitung brauchen. Sorgen macht sich Kopf aber um die Afghanen. Ein Drittel hat nur einen Pflichtschulabschluss, ein weiteres Drittel hat gar keine Schule besucht. Laut AMS-Chef Kopf dürften viele darunter aber zu Hause Lesen gelernt haben, da nur jeder zehnte Afghane Analphabet war. Gründe für die mäßigen Ergebnisse sind ein jahrzehntelanger Bürgerkrieg und die rückständige Wirtschaft.
Frauen besser als Männer
Die afghanischen Teilnehmer am Kompetenz-Check arbeiteten laut der Geschäftsführerin des AMS Wien, Petra Draxl, zudem vorher in völlig veralteten Berufen - sie waren zum Beispiel Goldschmied oder Uhrenmacher. Für die technologischen Herausforderungen in Europa würden den Afghanen Kompetenzen fehlen. "Das ist für die Integrationsarbeit eine große Herausforderung", so Kopf. "Allerdings darf man nicht vergessen, dass, wenn jemand keine Chance gehabt hat, in eine Schule zu gehen, das noch nichts über das Interesse oder die Intelligenz der Person aussagt." Für Kopf ist bemerkenswert, dass die Frauen deutlich besser abgeschnitten haben als die Männer. Der Akademikeranteil unter Frauen aus dem Irak, dem Iran und Syrien ist deutlich höher als jener des anderen Geschlechts. Mehr als ein Drittel der syrischen Frauen verfügt über einen akademischen Titel, bei Frauen aus dem Iran liegt diese Quote bei 42 Prozent. "Viele der gut qualifizierten Frauen haben jedoch kaum Berufserfahrung vorzuweisen, gezielte Frauenförderung ist hier bestimmt notwendig", so Kopf.
Zusammengefasst: "Das Qualifikationsniveau der Asylberechtigten ist deutlich höher als erwartet", so Kopf. Dennoch haben gesamt gesehen 40 Prozent der Teilnehmer laut Statistik höchstens Pflichtschulabschluss. Der AMS-Vorstand stellt zudem klar, dass es sich bei den Daten um keine repräsentative Erhebung aller anerkannten Flüchtlinge handelt. Die ermittelte Qualifikationsstruktur der Asylberechtigten im Vergleich zum Herkunftsland hält Kopf aber für "nicht unplausibel". Syrien und Irak hätten vor dem Krieg ein gutes Schul- und Ausbildungssystem gehabt.
Das AMS und Sozialminister Rudolf Hundstorfer rechnen heuer mit rund 30.000 weiteren Asylberechtigten, die auf den Arbeitsmarkt drängen. Im Schnitt waren im vergangenen Jahr rund 17.300 Asylberechtigte auf Jobsuche. Heuer will das AMS 68 Millionen Euro für Maßnahmen zur Integration ausgeben. Laut Hundstorfer sollen es 2017 bis zu 80 Millionen Euro sein. Der Kompetenz-Check des AMS Wien soll zudem auf andere Geschäftsstellen ausgeweitet werden. 13.500 Erhebungen sind für 2016 geplant.