Platz für knapp 13.800 Jugendliche im Auffangnetz. | Ein Lehrling beim AMS kostet den Staat 14.800 Euro pro Jahr. | Wien. Die Betriebe nehmen weniger Lehrlinge auf, der Staat muss dafür einspringen. Ende Juli 2010 waren 3,7 Prozent weniger Lehrlinge in einem Ausbildungsverhältnis in einem Betrieb als im Vorjahresmonat.
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Das Arbeitsmarktservice (AMS) stockt deshalb die Zahl der überbetrieblichen Lehrstellen für 2010/11 um rund 1500 auf 13.782 Plätze auf. "Die Zahl der Lehrstellensuchenden ist heuer zwar gesunken. Wir brauchen aber im Frühjahr 2011 freie Plätze für Jugendliche, die mit der Schule aufhören und eine Lehre beginnen wollen", sagt AMS-Sprecherin Beate Sprenger.
Die überbetriebliche Ausbildung ist ein Auffangnetz für Jugendliche, die am freien Arbeitsmarkt nicht unterkommen. Die Bundesregierung hat Mitte 2008 eine Ausbildungsgarantie für Jugendliche gesetzlich verankert: Jene, die nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums eine Lehrstelle finden, werden vom Staat in Form des AMS aufgefangen.
Steuerzahler blecht
Die Jugendlichen können einen Teil oder auch alle drei Lehrjahre in den künstlichen Lehrbetrieben absolvieren. Etwa 50 bis 60 Prozent der Jugendlichen in überbetrieblicher Ausbildung werden von Firmen später übernommen. Der Rest bleibt beim AMS, wo man versucht, eine Stelle zu finden.
Die Kosten für die überbetriebliche Lehre zahlt zur Gänze der Staat - und damit der Steuerzahler. Der Gesamtaufwand von AMS und den Ländern liegt laut AMS bei 215 Millionen Euro. Ein Lehrling in überbetrieblicher Ausbildung kostet laut Ministerium 14.800 Euro pro Jahr inklusive Lehrlingsentschädigung. Lehrlinge in Betrieben kosten dem Staat nur bis zu 3500 Euro pro Jahr, wenn der Betrieb die verfügbaren Förderungen maximal ausschöpft, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium.
Die OECD kritisierte die überbetriebliche Lehrlings-Ausbildung in einer Studie als zu teuer. Man reduziere dadurch die Anreize für Arbeitgeber, Lehrlinge selbst auszubilden.
Warum leistet sich der Staat das? Lehrwerkstätten, die auch auf schwächere Jugendliche eingehen könnten, seien ein Auftrag an die Gesellschaft, meint AMS-Chef Johannes Kopf. Betriebe würden dann mehr Lehrlinge aufnehmen, wenn sie mehr Junge finden, die "ordentlich lesen, schreiben und rechnen" könnten, so Kopf.
Zwar zeige sich bei den Jugendlichen in den Lehrwerkstätten ein breites Spektrum, ergänzt seine Sprecherin. Doch häufig zeigten sich Benachteiligungen - etwa aus einem Migrationshintergrund heraus.
"Die schulischen Leistungen geben den Ausschlag, ob Jugendliche im Lehrlingsausbildungssystem Fuß fassen", sagt auch Tilly Lex vom Deutschen Jugendinstitut. Wie eine fünfjährige Studie unter 4000 deutschen Hauptschulabsolventen zeige, fallen einige Jugendliche trotz staatlichem Übergangssystem aus dem Arbeitsmarkt heraus. "Einige arbeiten dann ungelernt und haben keine Perspektive, viele sind arbeitslos", erklärt Lex.
Mangelnde Ausbildung
Auch die Wirtschaftskammer (WKO) macht die mangelnde Ausbildung dafür verantwortlich, dass nicht alle Lehrstellensuchenden in Betrieben unterkommen. "In Sachen Qualität und Mobilität gibt es vielfach Aufholbedarf", sagt WKO-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser.
Vor allem in Ballungszentren wie in Wien mit einem großen Angebot an weiterführenden Schulen interessierten sich von vornherein nur jene für eine Lehre, die eine solche Schule nicht schaffen würden.
Der Großteil der Jugendlichen entscheidet sich noch immer für eine kleine Auswahl an Lehrberufen, obwohl es mehr als 200 davon gibt. Die meisten Lehrstellensuchenden gab es im vergangenen Monat in der Metall- und Elektrobranche, Tourismusbetriebe suchen hingegen dringend nach Lehrlingen.
Die Arbeiterkammer (AK) sieht die Unternehmen in der Pflicht: "Die Berufsausbildung ist auch Aufgabe der Wirtschaft. Immerhin gibt es dafür eine umfangreiche Lehrstellenförderung", sagt AK-Präsident Herbert Tumpel.
Entspannung für Lehrstellensuchende ist bald in Sicht - allerdings nur aufgrund der demografischen Entwicklung: Weil geburtenschwache Jahrgänge nachrücken, wird die Zahl der Lehranfänger von heuer 42.100 schrumpfen, so dass das AMS die Lehrstellen zurückfahren kann.